Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
verlieren, da drangen von draußen leise Stimmen an seine Ohren.
»Du glaubst, sie sind da drin?«
»Wir haben alles abgesucht. Sie können in der Nacht unmöglich bis zum Gebiet von MacLeads gelaufen sein.«
»Aber Vorsicht. Der Bursche ist gefährlich.«
Schritte waren zu hören, ein kleines Steinchen kullerte den Fels hinab. Ewan hatte sich blitzschnell zur Seite gerollt und war aufgesprungen, um sein Schwert zu fassen. Er bedeutete Rodena, sich im Hintergrund der Höhle zu verbergen, dann presste er sich seitlich des Eingangs eng an den Felsen, um die Eindringlinge zu überraschen.
Rodena wünschte sich jetzt nichts mehr, als eine Waffe zu besitzen, um mit Ewan gemeinsam kämpfen zu können – wenn sie doch wenigstens Pfeil und Bogen hätte, dann wäre sie jetzt nicht gezwungen, feige in der Ecke zu hocken. Zögernd setzte sie die Füße auf den schrundigen Höhlenboden, um ein wenig weiter in das dämmrige Innere einzudringen, vielleicht würde sie ja loses Geröll finden, um damit zu werfen und sich wenigstens auf diese Weise zu wehren.
Plötzlich blieb sie stehen, und die kleinen Härchen in ihrem Nacken sträubten sich. Zuerst war es nur eine Ahnung, das Gefühl, nicht allein in der Finsternis zu sein, dann roch sie den strengen Geruch und hörte ein Schnaufen. Entsetzt wich sie zurück, stolperte gegen die Felswand und wartete zitternd darauf, dass das Wesen, das aus der Dunkelheit kam, sie anfallen würde.
Der Bär ging so dicht an ihr vorüber, dass sein zottiges Fell ihren Arm streifte. Als sie den Kopf wandte, konnte sie die mächtige, gedrungene Form des Raubtieres vor dem einfallenden Licht des Eingangs erkennen. Der Bär trottete ruhig vor sich hin, blieb dann einen Moment stehen und schüttelte den braunen Pelz, dass der Staub flog.
Ewan stand reglos, den Blick starr auf das Raubtier gerichtet. Der Bär blinzelte in die Sonne, drehte dann den Kopf zu Ewan und stieß einen seltsamen Laut aus, der wie ein fauchendes Brummen klang. Ewan rührte sich nicht, es schien, als sei er mit dem Fels verwachsen.
Der Bär beschnupperte kurz Rodenas feuchtes Gewand, das auf dem Boden lag, dann schnaubte er und stieg darüber weg, um langsam zum Höhleneingang zu tapsen. Dort hob er den Kopf, um irgendeine Witterung aufzunehmen, zögerte einen Augenblick – dann trabte er davon. Es sah merkwürdig aus, denn sein zottiges Hinterteil wackelte bei dem schnellen Lauf hin und her.
Rodena stand wie gebannt, unfähig, ein Glied zu rühren. Als sie ihre großen, erschreckten Augen auf Ewan richtete, sah sie verblüfft, dass er lächelte.
»Da drin sind sie bestimmt nicht«, hörte man eine Stimme in einiger Entfernung.
»Und falls sie jemals drin waren, ist nicht mehr viel von ihnen übrig.«
»Suchen wir weiter.«
Rodena schloss die Augen und entspannte sich, das Zittern blieb jedoch in ihren Gliedern. Nie in ihrem Leben war sie einem Bären so nahe gekommen.
»Er hat die ganze Nacht über hinten in der Höhle gelegen«, stammelte sie.
»Ja«, sagte Ewan ernst. »Er hat uns Obdach gewährt und uns beschützt.«
Sie warteten eine Weile, tauschten dann wieder die Gewänder und machten sich auf den Weg. Es war eine beschwerliche und gefahrvolle Kletterei, denn Ewan wählte schmale Pfade und ausgehöhlte Bachbetten, wo sie vor den Blicken der MacMorrans verborgen waren. Kaum ließ er ihr die Zeit, einige letzte Heidelbeeren zu pflücken, die zwar nicht reichten, um ihren Hunger zu stillen, aber doch ein wenig den Magen füllten. Es war kühl, denn die Herbstsonne hatte nur wenig Kraft, dennoch froren sie nicht in den feuchten Kleidern, die Anstrengung des Laufens und Kletterns hielt sie warm.
Gegen Mittag endlich erreichten sie eine karge Ebene, die von einem Bachlauf durchzogen wurde. Gelbliche, verblühte Gräser zitterten hie und da neben bemoostem Felsgeröll im Wind, dazwischen lagen braune Inseln von verdorrtem Heidekraut. Sie hatten das Gebiet erreicht, das von Malcolm MacLead beherrscht wurde, und waren in Sicherheit, denn bis hierher würden sich die räuberischen MacMorrans nicht wagen.
Schweigend lief Rodena hinter Ewan her, legte sich in Gedanken zahllose Gründe zurecht, um ihn doch noch von seinem Vorhaben abzubringen, und wusste doch gleichzeitig, dass sein Entschluss unumstößlich war.
»Wir haben es bald geschafft«, meinte er, sich zu ihr umwendend. »Wenn du müde bist, kann ich dich eine Weile tragen.«
»Es geht schon...«
Der Weg war aufgeweicht und wurde immer wieder von kleinen
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