Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
die Gelegenheit wahr, ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger zu nehmen und ihr Gesicht ein wenig anzuheben, wie man es bei einem trotzigen Kind tut.
»Denkt immer daran, Lady Rodena, dass das Leben eines Menschen von Eurem Verhalten abhängt. Es täte mir sehr leid, Ewan Turner als Verräter und Brautschänder an einem Ast hängen zu sehen.«
Jetzt brach es aus ihr heraus, sie schlug ihm die Hand weg und fauchte ihn an wie eine kleine Bestie.
»Du widerlicher Heuchler! Dreckiger Erpresser!«
Wie ihre schwarzen Augen jetzt funkelten – er war so heiß auf sie, dass er sie am liebsten gleich aufs Lager geworfen hätte. Doch er musste zuerst abwarten, bis ihr Widerstand gebrochen war und sie zu Kreuze kroch. Schon seinem schmerzenden Rücken zuliebe, schließlich war er nicht mehr in dem Alter, in dem ein Mann eine Frau mit leichter Hand aufs Lager warf.
»Wir sehen uns heute Abend, meine schöne Braut«, sagte er boshaft. »Bis dahin wird dein Freund weder Nahrung noch Wasser erhalten, deshalb solltest du gut überlegen, was du mir mitzuteilen hast.«
Er grinste befriedigt, als er ihre Verzweiflung sah, und wandte sich zur Tür. Ein halblauter Aufschrei erklang, als er sie öffnete, und ein Mädchen stolperte in den Raum. Zornig fasste er die Lauscherin bei den Haaren und stieß sie mit der Stirn gegen die harte Tür aus Eichenholz.
»Ich werde dich lehren, dein Ohr an die Türen zu legen, du Missgeburt!«
Das Mädchen schrie und weinte, sodass er sie schließlich angewidert losließ und davonging.
Sechzehntes Kapitel
Rodena war so von Wut und Entsetzen überwältigt, dass sie kaum auf das weinende Mädchen achtete. Die Kleine beruhigte sich rasch, wischte sich die Tränen ab und stand einen Augenblick schniefend bei der Tür, dann näherte sie sich vorsichtig der jungen Lady.
»Ich soll Euch bedienen«, sagte sie schüchtern.
»Schon gut – ich brauche jetzt niemanden!«
Ungeduldig wandte sich Rodena ab, ging zum Fenster und stieß die Läden auf. Weite Heideflächen erstreckten sich draußen, zwischen hellem Geröll wuchsen dürre Birken, hie und da erhob sich eine verkrüppelte Kiefer. Als sie sich ein wenig hinausbeugte, spürte sie, wie ein Schwindel sie erfasste, denn die Mauer fiel steil hinab bis zum Burggraben, der mit brackigem Wasser gefüllt war.
»Im Winter ist ein Rabe hereingeflogen«, schwatzte die Kleine. »Wir haben ihn gefüttert, da kam er jeden Tag.«
Rodena hörte kaum zu, sie versuchte, den dummen Schwindel zu überwinden, um zu erkennen, ob es weiter unten in der Mauer Fensternischen gab.
»Man kommt von hier aus nicht aus der Burg«, sagte das Mädchen. »Höchstens, wenn man ein Vogel wäre...«
Abrupt drehte sich Rodena um und besah sich die Kleine. Sie war ihr vorhin schon aufgefallen, als noch die Frauen im Raum herumwimmelten. Das Mädchen mochte etwa dreizehn sein, hatte hellblondes, krauses Haar, und die großen braunen Augen schauten ein wenig altklug drein. Man hatte sie herumgescheucht wie eine Magd, dennoch schien sie nicht zum Gesinde zu gehören, denn sie trug ein Gewand aus gutem Stoff.
»Großer Gott!«, sagte Rodena mitleidig, als sie die Schwellung sah, die der Kleinen auf der Stirn wuchs. »Das musst du rasch kühlen, sonst wird es noch dicker.«
Sie lief im Raum umher und fand einen Handspiegel, den sie dem Mädchen. auf die Stirn drückte.
»Halt es eine kleine Weile fest und wende den Spiegel auf die andere Seite, wenn das Metall nicht mehr kühl genug ist«, wies sie es an.
Die Kleine gehorchte brav und kniff die Augen fest zusammen, während sie den Spiegel an ihre Stirn presste.
»Eigentlich mag ich keine Spiegel«, sagte sie.
»Weshalb denn nicht?«
»Weil ich so hässlich bin.«
»Wer sagt so etwas?«
»Die anderen...«
Rodena sah sie mitleidig an, denn sie kannte dieses Gefühl. »Tritt ihnen auf die Füße, und spuck sie an«, riet sie der Kleinen. »Eines Tages, wenn du erwachsen bist, wirst du schöner als sie alle sein.«
»So schön wie Ihr, Lady?«
Rodena musste lächeln. War sie schön? Ewan hatte es ihr gesagt, und deshalb glaubte sie daran. Ewan, der jetzt irgendwo in dieser elenden Burg im Kerker saß...
Ihr Lächeln schwand wieder, und sie strich der Kleinen über das verwuschelte Haar.
»Anders als ich. Auf deine Art wirst du schön sein. Warte nur ab, die Zeit wird kommen. Mir haben meine Schwestern früher auch immer erzählt, ich sei hässlich.«
Das Mädchen schien getröstet, denn sie hielt sich nun mutig den
Weitere Kostenlose Bücher