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Die Weimarer Republik

Die Weimarer Republik

Titel: Die Weimarer Republik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunther Mai
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die Armee gerettet, obwohl der Putsch eines Teils der Armee den Aufstand erst provoziert hatte.
    In den Juni-Wahlen 1920 gingen die Stimmenanteile der Parteien der Weimarer Koalition von 76,2 auf 43,6 % zurück. KPD/USPD legten auf 20 % zu, die DNVP auf 15,1 %, die DVP noch deutlicher auf 13,9 %. Die Wahlen markierten den Beginn einer Verschiebung im Parteienspektrum. Waren die Wahlen zur Nationalversammlung noch durch eine (gebrochene) Kontinuität des Parteiensystems gekennzeichnet, so hatte sich 1920 auf der Linken die KPD endgültig etabliert. Auf der Rechten waren um 1920 mindestens 74 neue Bünde und Parteien entstanden, die aber noch keine Massenbewegung darstellten. Zu ihnen gehörte auch die am 5. Januar 1919 gegründete Deutsche Arbeiter-Partei, aus der nach der Niederschlagung der Münchner Räterepublik die NSDAP hervorging.
    Der neuen Rechten gemeinsam war die Ablehnung der «alten» Ordnung monarchisch-adeliger Arroganz, bürgerlich-kapitalistischer Kaltherzigkeit oder sozialistischer «Humanitätsduselei». Die Bewegungen empfanden sich als revolutionär. Aus ihrem Hass speiste sich militante Gewalt. Die semantischen Schnittmengen mit den Konservativen waren erheblich: Ordnung und Disziplin, Volk und Nation, Führertum und starker Staat, organische Gemeinschaft und soziale Hierarchie, Antikapitalismus,Antisozialismus und Antisemitismus. Zugleich gab es Berührungspunkte zu bürgerlichen Auffassungen: Herrschaft der Eliten über die kulturlosen Massen, Führerauslese durch Leistung, technokratische Optimierung von Mensch und Gesellschaft, Wirtschaft und Staat. Selbst zur Linken bestanden semantische Bezüge mit dem «nationalen Sozialismus»: Gleichberechtigung des Arbeiters, Wertschätzung der Arbeit, Einschränkung der privaten Verfügungsgewalt über das Eigentum zugunsten der Gemeinschaft. Jedoch bestanden (wie z.B. die Verbreitung der Idee einer «Volksgemeinschaft» im gesamten politischen Spektrum zeigt) keineswegs eindeutig zu benennende Differenzen zwischen Jungkonservativen, Völkischen und Nationalsozialisten. Die Jungkonservativen, eher elitär als populistisch, eher christlich als neuheidnisch-esoterisch, betonten den Primat des Staates; sie propagierten ein charismatisches Führertum, in dem jedoch der Führer «Diener» der Nation blieb. Ihr Nationalismus war integral; die Klassen sollten in der Volksgemeinschaft überwunden werden, die berufsständisch und hierarchisch gegliedert war. Den Völkischen gemeinsam war die Betonung der Rasse gegenüber der klassischen Bürgernation. Der Rassenantisemitismus war nicht ein Teil der völkischen Ideologie, sondern deren Fundament. Rassen waren menschheitsgeschichtliches Schicksal, indem alle Kultur «schöpferisches Produkt des Ariers» war. Jeglicher Fortschritt der Kultur war an diesen geknüpft: durch die radikale Abwehr der «kulturzerstörenden», «parasitären» Rassen, besonders des Judentums, und durch die Schaffung eines «neuen Menschen». Hitler grenzte sich zwar von den Völkischen ab, die er als die «Alten» verachtete, doch wird man den Nationalsozialismus zu diesen rechnen müssen. Aber trotz aller Nähe war völkisch nicht gleich nationalsozialistisch. Vor allem der Anspruch des Staates auf den totalen Zugriff auf alle, die ihm angehörten, war weder mit (jung-)konservativen noch mit liberalen Vorstellungen von Freiheit und Individualität vereinbar.
    Die NSDAP war zunächst ein Münchner Lokalphänomen. Die dortige Konzentration der radikalen Rechten war der Errichtung der «Ordnungszelle» Bayern nach dem Kapp-Putschzu danken. Hier genoss sie den Schutz von Reichswehr (z.B. Ernst Röhm) und Polizei (z.B. Wilhelm Frick). Hitler unterschied sich kaum von seinen Mitstreitern in dem, was er sagte, wenn er über die «Schmach von Versailles», «Arbeiterschaft und Nation» und immer wieder über die «Judenfrage» sprach. Es war der Stil seines Auftretens, der seine Attraktivität ausmachte, ihm Gönner, Geld und Anhänger zuführte. Die aggressive propagandistische Präsenz in der Öffentlichkeit, das militärische Gepränge der Aufmärsche, die paramilitärische Uniform und Ausrüstung, die kompromisslose Brutalität wie auf dem «Deutschen Tag» in Coburg, einer Großveranstaltung völkischer Verbände im Oktober 1922, die zum Verbot der Partei in Preußen und den süddeutschen Staaten (außer Bayern) führte – das alles unterschied die NSDAP von den Zirkeln der deutschnationalen oder deutsch-völkischen Bewegungen, das

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