Die Weimarer Republik
Methoden (Verständigung oder Gewalt) unterschieden. In einem waren sich die Protagonisten indes einig: Die Revision sollte schnell erzielt werden. Das war innenpolitisch populär, aber außenpolitisch zum Scheitern verurteilt. Man setzte auf die Differenzen zwischen den Siegermächten, ohne durch eigene Angebote diese Spaltung auszunutzen. So führte das Drängen auf Revision nur zur Verhärtung der Position Frankreichs, das allein aus innenpolitischen Gründen nicht zurückweichen konnte. Die Verweigerung war die Waffe des Schwächeren, die rücksichtslose Machtpolitik die Antwort Frankreichs.
Internationale Gleichberechtigung und außenwirtschaftliche Existenzsicherung waren der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die verschiedenen Revisionismen bringen lassen. Aber es gelang der Republik nicht, sich auf einen pragmatischen Minimalkonsens ihrer Revisionsziele und eine Gesamtstrategie zu einigen. Vor allem auf der gemäßigten Rechten herrschten noch lange Illusionen, das Reich könne durch eine Schaukelpolitikdie Großmächte auseinanderdividieren – auch mithilfe der Drohung, jeder harte Frieden werde zur Bolschewisierung des Reiches führen. Das war die Taktik des ersten Außenministers Ulrich Graf von Brockdorff-Rantzau für die Versailler Konferenz. Nachdem diese bereits in Versailles gescheitert war, formulierte Hermann Müller, der erste SPD-Außenminister 1919, die «Erfüllungspolitik»: Durch die «loyale» Erfüllung der Bestimmungen sollte deren Unerfüllbarkeit unter Beweis gestellt werden. Die Revision sei nur im Rahmen des Völkerbundes möglich und an zwei Voraussetzungen gebunden: friedliche Streitschlichtung und internationale Verflechtung durch Freihandel und Meistbegünstigung. Das war die Konzeption des «Wilson-Friedens» von 1918, wie man sie in Deutschland (miss-)verstanden hatte. Das war zudem das Programm des organisierten Pazifismus und stand insofern in der Traditionslinie der republikanischen Linken wie der Arbeiterbewegung.
Dieser Ansatz scheiterte schon innenpolitisch. Und dass mit Erzberger und Walther Rathenau zwei seiner führenden Repräsentanten ermordet wurden, verschärfte das Misstrauen der Alliierten. Damit erhielt die Katastrophenpolitik ihre Chance. Die «Maximalisten», die den Krieg in sein «zweites Stadium» treten sahen und den Frieden nur als «Provisorium» akzeptierten, glaubten, mithilfe einer Zerrüttung der deutschen Finanzen und Wirtschaft könnten die Sieger derart in Mitleidenschaft gezogen werden, dass sie zur Revision gezwungen seien. Diese Denkschule, die den Krieg als Wirtschaftskrieg fortsetzen wollte, war bereit, im Inneren riesige Opfer zu verlangen. Ihre Vertreter sahen in der Hyperinflation und im «Ruhrkrieg» 1923 ihre Chance gekommen, profitierten aber mehr von den Umständen, als sie diese zu steuern vermochten. Gerade diese Strategie mündete in eine «zweite Kapitulation», die ihre Protagonisten dann aber wiederum der Republik anlasteten.
Während gegen die «Kriegsschuldlüge» Professoren und Publizisten im «Krieg der Dokumente» ins Feld geführt wurden, wurde die Reparationsfrage zum eigentlichen Schauplatz der Revisionspolitik. Nach den Konfiskationen des Auslandsvermögens während des Krieges und den umfangreichen Sachleistungenim Rahmen des Waffenstillstandes waren jetzt einmalige und laufende Sachleistungen (Kohle für zehn und chemische Produkte für drei Jahre) zu liefern, vor allem aber Geldzahlungen. Da zunächst, so das Argument, der Gesamtschaden erhoben werden musste, wurde im Friedensvertrag die Höhe der Zahlungen nicht festgelegt. Das sollte bis zum 1. Mai 1921 erfolgen. Während die Sieger sich mühsam auf die Höhe ihrer Forderungen einigten, verzögerte die deutsche Regierung die Sanierung ihrer Währung, um die deutsche Leistungsfähigkeit zu verschleiern. Im Januar 1921 wurde von Deutschland ultimativ eine Gesamtsumme von 269 Mrd. Goldmark verlangt, zahlbar innerhalb von 42 Jahren. Als die Reichsregierung das ablehnte, wurden Düsseldorf, Duisburg und Ruhrort besetzt und zum nicht besetzten Reichsgebiet eine Zollgrenze errichtet. Im Mai reduzierten die Alliierten die Summe, auch in Folge eines verbesserten deutschen Angebotes, auf 132 Mrd. Goldmark. Das lag, bei Berücksichtigung der komplizierten Berechnungen und Zahlungsmodalitäten, in der Nähe der deutschen Offerte. Aber bei Siegern wie Besiegten überwog die Rücksichtnahme auf die selbst erzeugten innenpolitischen Erwartungen. Bei Nichtannahme
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