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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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wartete wie das lebendige Wasser unter der gefrorenen Oberfläche des Flusses auf bessere Zeiten. Er war sehr sanft mit Catherine, und sie strahlte vor Zufriedenheit, aß gut, schlief gut und freute sich über ihre Beliebtheit bei ihrem Schwiegervater. Hugo schlief ein- oder zweimal mit ihr, und obwohl die Damen lauschten, war nichts von Schmerzensschreien oder schmerzlicher Wollust zu hören. Dann saß Alys die ganze Nacht neben der Schießscharte und wachte über die weiße Landschaft auf der anderen Seite des Flusses, durchgefroren bis ins Mark von dem eisigen Wind, der vom Hochmoor her blies. Die ganze Nacht starrte sie hinaus in die Schneewüste, mit bleichem Gesicht und den riesigen Augen einer blinden Eule. Am Morgen war Morach entsetzt über ihre eisigen Hände und die dunklen Schatten unter ihren Augen.
    Ende März kehrte Hugo von einem Ausritt zurück, fand seinen Vater in der Damengalerie und bat ihn um Erlaubnis, Freunde in Newcastle zu besuchen. Alys erstarrte und hielt den Kopf über Ihre Stickerei gebeugt. Catherine war ganz Lächeln und Interesse.
    »Natürlich mußt du sie besuchen«, sagte sie zuversichtlich. »Uns wird hier nichts fehlen! Dein Vater wird uns beschützen, und Morach und Alys werden für meine Gesundheit sorgen.«
    Hugos Lächeln schloß sie alle ein. »Dann werde ich mit ruhigem Gewissen losreiten und leichten Herzens zurückkehren«, sagte er fröhlich. »Und Ihr und Eure Damen müßt mir eine Liste geben, was ich Euch aus der Stadt mitbringen soll.«
    »Ich möchte etwas Seide«, sagte Catherine nach kurzem Überlegen. »Und David wird sicher Tee und Gewürze brauchen.«
    »Ich werde wie ein Straßenhändler daherkommen«, sagte Hugo lächelnd. »Alys, kann ich dir irgend etwas mitbringen?«
    Alys sah ihn mit teilnahmsloser Miene an. »Nein danke, Mylord«, sagte sie kühl. »Mir fehlt es an nichts.«
    Er nickte. Die anderen baten um kleine Nippes, farbige Seidenbänder für ein Gewand, einen Beutel Gewürze. Hugo schrieb gewissenhaft all ihre Bitten auf und steckte die Liste in sein Wams.
    »Ich werde bei Tagesanbruch losreiten«, sagte er. »Also werde ich mich gleich von Euch verabschieden.« Er nahm Catherines Hand und küßte sie. »Gehabt Euch wohl, mein Schatz«, sagte er. Die Zärtlichkeit in seiner Stimme war unüberhörbar. »Achtet auf Eure Gesundheit, um meines Sohnes und um Euretwillen.«
    Alys erhob sich lautlos und verließ den Raum. Sie blieb kurz vor der Tür stehen und hörte, wie er sich von den anderen verabschiedete, dann ging sie in den Vorraum zwischen den Treppen und dem Eingang zum Rundturm, wo er auf jeden Fall vorbeikommen mußte.
    Er kam leichtfüßig, pfeifend die Treppe herunter.
    »Alys!« sagte er, als sie ins Licht trat. »Ich bin froh, daß du auf mich gewartet hast.«
    Keiner der beiden sagte etwas, während Hugo Alys' versteinertes Gesicht musterte.
    »Es tut mir leid«, sagte er ohne Umschweife. »Ich weiß, wie schwer diese Tage für dich waren. Für mich waren sie genauso schwer. Ich habe mitangesehen, wie du blaß und dünn wurdest, Alys, und es hat mich tief getroffen. Ich muß weg, ich muß weg von hier, Alys. Diese Wintertage machen mich krank, und auch diese langen Abende mit den Damen. Ich weiß, wie du leidest, so wie du Catherine ansiehst. Ich weiß, wie weh es dir tun muß.«
    Alys wandte sich ab, aber ihre kalte Hand packte die seine.
    »Ich muß das durchstehen«, flehte Hugo sie an. »Catherine ist meine Frau, sie trägt meinen Sohn unter dem Herzen. Ich habe keine Wahl, Alys. Und ich kann mich nicht nach dir sehnen und dich suchen und kleine Augenblicke mit dir erhaschen. Ich möchte entweder mit dir zusammen oder ohne dich sein, dieses halbe Leben gelegentlicher Leidenschaft ist schlimmer als nichts.«
    Alys nickte widerwillig.
    »Ich muß ein paar Meilen Abstand von diesem Ort haben. Ich komme mir völlig zerrissen vor, verstrickt zwischen einer Pflicht und einer anderen. Manchmal würde ich am liebsten davonlaufen.«
    »Du solltest dich glücklich schätzen, daß du die Freiheit hast, weglaufen zu können«, bemerkte Alys trocken.
    Er lächelte sie an. »Sei nicht so garstig zu mir. Ich gehe fort, um in Ruhe nachzudenken, Alys. Wenn ich zurückkomme, werde ich meinem Vater sagen, daß du und ich ein bißchen Zeit zusammen brauchen. Wir können etwas arrangieren. Wir können einen Ort in der Nähe finden, wo du bequem leben kannst, wo ich mit dir Zusammensein kann. Ich gehe fort, um zu überlegen, wie das machbar ist. Warte auf

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