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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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wurde anderweitig vergeben. Der König hatte den ganzen Abend mit Lady Jane Seymour getanzt. Der König und die Königin sollten gemeinsam das Turnier zum ersten Mal besuchen, aber bei Hof brodelten die Gerüchte über einen Streit zwischen König und Königin, bei dem sie die kleine Prinzessin Elisabeth nackt ausgezogen und ihm unter die Nase gehalten und gefragt hatte, ob er irgendeinen Makel an ihrem drallen kleinen Körper finden könnte. Ein weiteres vollkommenes Kind würde dem ersten folgen, schwor sie. Aber der König hatte sich abgewandt.
    Alys las ihm den Brief vor und verbrannte ihn dann auf seinen Wink. Ein weiterer Brief kam vom College of Heralds. Lord Hugh wollte eine Ergänzung seines Wappens, um seinen neuen Enkel zu begrüßen. Für ein solches Gesuch gab es einen Präzedenzfall in Catherines Familie, und das College kabbelte sich um die Rechtmäßigkeit des Anspruchs und den Preis, der für den zusätzlichen Glanz auf Hughs Namen bezahlt werden müßte. Ihre Forderungen quittierte er mit einem Kopfschütteln. »Ich muß vor meinem Ehrgeiz auf der Hut sein«, sagte er. »Schau, wohin die Boleyns mit ihrem Ehrgeiz gekommen sind, Alys. Der sicherste Platz ist die Mitte der Halle. Nicht zu nahe am höchsten Tisch.«
    Ein Pachtvertrag aus Bowes war zur Begutachtung vorgelegt worden. Ein Pächter wehrte sich gegen eine Änderung seines Vertrages von gelegentlichen Gebühren zu jährlicher Pacht. Er wollte seine Gebühren in Naturalien bezahlen, aber das Schloß war auf Bargeld aus. Alys las den mittelalterlichen lateinischen Text des Vertrages langsam vor und stolperte immer wieder über die archaischen Worte. Lord Hugh beobachtete die Flammen im Kamin, anfangs konzentriert, doch irgendwann fielen ihm vor Erschöpfung die Augen zu. Alys las ein paar Sätze weiter, dann legte sie das Pergament beiseite und sah ihn an. Er schlief tief und fest.
    Sie erhob sich vorsichtig aus dem Stuhl und ging leise zu der Schießscharte in der nach Westen ausgerichteten Wand und schaute hinunter. Unter ihr, auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses, sah sie Lady Catherine unbeholfen gehen, in Pelze gewickelt, eine Hand auf Hugos Arm. Er hatte sich zu ihr gebeugt. Selbst auf die Entfernung erkannte Alys, mit welcher Bewunderung Catherine zu Hugo aufsah.
    Der alte Lord döste vor sich hin, das Feuer knisterte im Kamin. Alys beobachtete, wie Hugo Catherine über die schlammigen Stücke des Weges half. In einiger Entfernung folgte Morach, mit einem Korb über dem Arm, und Eliza Herring an ihrer Seite. Die anderen Damen waren anscheinend im Haus geblieben. Den Abschluß bildeten zwei bewaffnete Diener zu Pferd. Hugo ging kein Risiko ein, was die Sicherheit seiner Frau und seines ungeborenen Sohnes betraf.
    Alys merkte plötzlich, daß ihre Hände schmerzten, und schaute nach unten. Sie hatte sie zu Fäusten geballt, und ihre Nägel hatten vier tiefrote Sicheln in ihre Handflächen gebohrt. »O Gott, diese Eifersucht ist mein Untergang«, flüsterte sie, war aber außerstande, ihren Beobachtungsposten am Fenster zu verlassen.
    Catherine strauchelte auf dem Schlamm, und Hugo fing sie mit einem Arm um ihre Taille auf. Fast konnte Alys ihr Lachen hören, als Hugo sie umarmte, dann hob er ihr Gesicht zu seinem, und sein dunkler Kopf senkte sich zu einem Kuß.
    Alys spürte, wie ihre Wangen brannten. Irgendwo aus einem Winkel ihres Bewußtseins kam die Erinnerung an die Puppe, die sie in den Graben geworfen hatte. Die drei Puppen baumelten, versteckt in ihrem Beutel, an einem Stück Schnur unter der Garderobe, in Erwartung eines günstigen Zeitpunkts, um sie zu vergraben. Alys hatte sie mit derselben disziplinierten Blindheit verdrängt, mit der sie das Nonnenkloster, ihre Mutter und das Feuer verdrängt hatte.
    Aber als sie sah, wie Catherine ausrutschte, so nahe an diesem tiefen, eisigen Wasser, dachte sie wieder an die kleine Puppe von Catherine, die sie weit in die grünen Wasser des Grabens hinausgeschleudert hatte und die aufgetaucht war, ihr das Gesicht zugedreht und sie dann angelächelt hatte und durch ihre Macht und Bosheit fast ertränkt hätte.
    »Oh, aber jetzt bin ich sicher«, sagte Alys. »Ich bin sicher hier im Haus, während du da draußen bist.«
    Sie schaute zurück ins Zimmer. Der alte Lord schnarchte, mit schiefer Kappe, den Kopf zur Seite gelegt. Der warme Schein des Feuers flackerte rot auf den Steinwänden. Der Jagdhund döste vor dem Feuer, nur ab und zu zuckten seine Pfoten im Traum.
    »Hier kann mir

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