Die weise Frau
ihn anzusehen. Sie zog Catherine ihren durchnäßten Pelz aus und ließ ihn zu Boden fallen. Dann nahm sie ihr die Kopfbedeckung ab, löste ihr das Kleid und zog sie mit ihren harten Händen bis auf die Haut aus.
Hugo reichte ihr die Handtücher, und die beiden rubbelten sie, bis die weiße Haut rosa glänzte und die Gänsehaut verschwunden war. Dann wickelte Alys sie fest in die warmen Leintücher, und Hugo trug sie ins Bett. Alys türmte Decken auf sie und holte die Wärmflaschen heraus, um sie mit warmer Glut zu füllen, während Hugo ihr heißen Met einflößte. Ihre Zähne klapperten erbärmlich gegen den Becher. Alys, die die Glut aus dem Kamin schaufelte, zog den Kopf zwischen die Schultern.
»Mir ist kalt«, sagte Catherine.
Hugo warf Alys einen verzweifelten Blick zu. Das Zimmer war heiß wie ein Backofen. Alys' Gesicht war puterrot, die Stirn schweißnaß. Der Schlamm auf Hugos Stiefeln war durch die Hitze zu Staub getrocknet, seine nassen Kleider dampften.
»Trinkt noch ein bißchen Met«, sagte Alys, ohne sich umzudrehen. Sie knallte den sengend heißen Deckel der Wärmflasche zu, wickelte sie ein Handtuch und steckte sie Catherine unter die Füße.
»Mir ist so kalt, Alys.« Ihre Stimme war hoch und dünn wie die eines Kindes. »Kannst du mir nicht etwas geben, daß mir warm wird?«
Alys ging zur Kleidertruhe und zog einen von Catherines großen Pelzumhängen mit Kapuze heraus. »Setzt Euch ein bißchen auf«, sagte sie. »Wir legen Euch das wie einen Schal um, und die Kapuze können wir über die nassen Haare ziehen. Euch wird gleich warm sein.«
Gemeinsam richteten sie sie im Bett auf. Alys wandte sich ab, als Catherines Kleid aufsprang und der gerundete Bauch vorlugte. Sie sieht aus wie ein Metkrug, dachte Alys irritiert. Neben der molligen, nackten Frau fühlte Alys sich wie ein Schatten, ein Gespenst der Finsternis. Sie steckte den dichten Pelz um Catherine fest und zog dann die Decken darüber.
»Wärmer?« fragte sie.
Catherine nickte und versuchte zu lächeln, aber ihr Gesicht war immer noch weiß. Hugo hielt ihre kalten Hände in seinen. Er drehte sie um, die Fingernägel waren blau.
»Soll sie zur Ader gelassen werden?« fragte er Alys. »Sollen wir einen Arzt holen lassen, der sie zur Ader läßt?«
Alys schüttelte den Kopf. »Sie braucht all ihr Blut«, sagte sie. »Sie ist doch ein echter Choleriker. Ihr wird schon warm werden.«
»Und das Baby?« fragte er. Er drehte sich etwas vom Bett weg, damit Alys ihn hören konnte, Catherine aber nicht. »Das Baby ist das wichtigste. Wird das Baby keinen Schaden nehmen?«
Alys nickte. Sie hatte einen sauren Geschmack im Mund. Sie wollte Hugo nicht zu nahe kommen, aus Angst, ihr Atem würde faul riechen. »Ich glaube nicht, daß es dem Baby schaden wird. In ein paar Tagen werdet ihr darüber lachen. Ihr alle beide.«
Hugo nickte, aber sein Gesicht war von Sorge gezeichnet. »Bete zu Gott, daß es so ist«, sagte er.
Alys wandte sich ab. »Ich muß zu Eurem Vater gehen«, sagte sie. »Er hat mich geschickt, damit ich berichte, wie es Lady Catherine geht. Soll ich eine der anderen Frauen schicken, damit sie bei ihr wacht?«
Hugo schüttelte den Kopf. »Ich gehe zu ihm«, sagte er. »Und ich komme sofort zurück. Du bleibst hier und paßt auf sie auf. Ich vertraue dir ihre Pflege an. Du weißt, wieviel mir dieses Kind bedeutet. Er wird meine Zukunft sein — und meine Freiheit. Er wird diesen Herbst mein Vermögen begründen, wenn er sicher zur Welt kommt und wir ihn in die Arme seines Großvaters legen können.«
Alys nickte. »Ich weiß«, sagte sie.
Hugo drehte sich zurück zum Bett, in dem Catherine lag, die Arme fest um sich geschlungen, zitternd trotz der Backofenhitze im Raum. »Ich werde meinem Vater berichten, daß du gesund und wohlauf bist«, sagte er. »Alys wird sich inzwischen um dich kümmern, und ich bin gleich wieder zurück.«
Catherine nickte und legte sich in die Kissen zurück. Die Tür schloß sich leise hinter Hugo. Die beiden Frauen waren allein. Es war still im Zimmer. In der Galerie, vor der Tür zum Schlafgemach, warteten aufgeregt Catherines andere Hofdamen um den Kamin. Catherine hatte nicht die Kraft, sie zu rufen, sie konnte nicht einmal den Arm zum Klingelzug ausstrecken. Sie war in Alys' Gewalt, als hätte Alys sie gefesselt und geknebelt und schon das Messer für ihre Kehle gewetzt.
Alys wandte sich von der Tür ab und kam langsam zum Fuß des Bettes. Catherines blaßbraune Augen richteten sich auf
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