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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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sie Alys weiterhin im Auge hatte. Alys steckte das Bündel ins Feuer.
    Einen Moment lang schwelte es vor sich hin. Alys beobachtete es, bis der Saum von Morachs Kleid Feuer fing, aufflackerte und dann in Flammen aufging. Alys zog ein kleines Fläschchen aus ihrer Tasche. »Myrrhe«, sagte sie und goß je einen Tropfen in die vier Ecken des Herdes und drei Tropfen in das Herz des Feuers. »Ruhe in Frieden, Morach«, flüsterte sie so leise, daß sie keiner verstehen konnte. »Du weißt und ich weiß, was für eine Rechnung wir untereinander zu begleichen haben. Du weißt und ich weiß, daß wir uns wieder begegnen werden, und auch wo. Aber laß mich bis zu diesem Tag meinen Weg gehen. Du hast dein Leben gehabt und deinen Weg gewählt. Laß mir die Freiheit, meinen zu wählen.«
    Sie trat einen Schritt zurück und beobachtete die Flammen. Auf der anderen Seite der Küche hielt die Köchin den Atem an und ballte ihre Faust zum Zeichen gegen Hexerei. Alys beachtete sie nicht.
    »Du hast für mich wie eine Mutter gesorgt«, sagte sie zum Feuer. Die Flammen leckten gierig um das Tuch, und das Bündel fiel auseinander und ging in Flammen auf, verschrumpelte dann zu schwarzer Glut. »Das gebe ich jetzt zu. Jetzt ist es zu spät, dir zu danken oder sich mit Freundlichkeiten zu revanchieren«, sagte Alys. »Du hast wie eine Mutter für mich gesorgt, und ich habe dich wie einen Feind verraten. Ich beschwöre jetzt deine Liebe zu mir, deine Mutterliebe. Du hast mir gesagt, mir bliebe nicht viel Zeit. Laß mir diese kleine Zeitspanne. Laß mich mein Leben leben, Morach. Verfolge mich nicht.«
    Sie schwieg einen Augenblick, den Kopf zur Seite gelegt, als lausche sie auf eine Antwort. Der dunkle Rauchgeruch der Myrrhe erfüllte die Küche. Der Küchenjunge vermied es krampfhaft, ihr in die Augen zu sehen, und drehte den Spieß immer schneller, bis das Quietschen zu Kreischen wurde.
    Alys wartete.
    Nichts passierte.
    Morach war fort.
    Alys drehte sich mit befreitem Lächeln vom Feuer weg und nickte der Köchin zu. »Alles erledigt. Kleider verbrannt, Herd gesäubert«, sagte sie freundlich.
    »Was kochst du für das Abendmahl des Lords?«
    Die Köchin zeigte ihr das Dutzend gebratene Hühner, die darauf warteten, zu Pastete gestoßen zu werden, die Mandeln, den Reis und den Honig, der dann darunter gemischt werden würde, das Sandelholz, mit dem die Mischung ihre rosa Farbe bekommen würde. »Blanche Mange als Hauptgang«, sagte sie. »Und Allowes — ich habe ein paar gute Stücke Hammel. Etwas Wild. Und Fisch habe ich auch, Heilbutt von der Küste. Möchtet Ihr vielleicht, daß ich für Lady Catherine etwas Besonderes mache?« fragte sie unterwürfig.
    Alys überlegte. »Einen schönen, süßen Pudding«, sagte sie. »Die Lady liebt Süßes, und sie braucht all ihre Kraft. Ein paar Cremes, vielleicht Leche Lombarde mit viel Sirup.«
    »Sie ist sehr dick und hübsch geworden«, sagte die Köchin voller Bewunderung.
    »Ja«, sagte Alys mit zuckersüßer Stimme. »Sie wird jeden Tag fetter. Lord Hugo wird bald keinen Platz mehr in ihrem Bett haben, wenn sie so weitermacht. Schick ein Glas Negus und ein paar Cremes und Kekse in ihr Gemach. Sie ist hungrig, jetzt da sie im fünften Monat ist.«
    Die Köchin nickte. »Ja, Alys«, sagte sie.
    Alys blieb auf dem Weg zur Tür mit einer hochgezogenen Braue stehen.
    Die Köchin zögerte. Alys rührte sich nicht. Es herrschte drückendes Schweigen, als die Köchin Alys' blauen Augen begegnete und dann wegschaute.
    »Ja, Mistress Alys«, sagte sie, obwohl sie Alys nur ungern diesen Titel zugestand. Alys schaute sich langsam in der Küche um, als wolle sie sagen: Wehe, ihr zweifelt meine Autorität an. Keiner sagte ein Wort. Sie nickte dem Küchenjungen zu, und er rannte weg vom Spieß, um ihr die Tür zur Halle zu öffnen. Sie verließ den Raum ohne ein Wort des Dankes.
    Die Tür schloß sich, und sie blieb stehen, um zu horchen, falls die Köchin etwas gegen sie sagen sollte, sich über ihren Ehrgeiz beklagte oder schwor, daß sie eine Hexe wäre. Doch sie hörte nur ein hartes Klatschen und das Geschrei des Spießdrehers über die unverdiente Strafe. »Ran an die Arbeit«, sagte die Köchin. »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!«
    Alys lächelte, durchquerte die Halle und ging dann die Treppe zur Damengalerie hinauf.
    Catherine ruhte sich vor dem Abendessen in ihrem Zimmer aus. Die Damen, die sich um den Kamin in der Galerie versammelt hatten, genossen die gestohlene freie Stunde. Ruth las

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