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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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ein Pamphlet über die Bedeutung der Messe. Eliza frönte ihren Tagträumen und starrte ins Feuer. Mistress Allingham döste mit verrutschter Haube. Alys nickte allen zu und ging an ihnen vorbei zu ihrer eigenen Kammer.
    Die Magd hatte die Spreu wie befohlen vom Boden aufgekehrt und den Besen dagelassen. Alys nahm ihn und kehrte sorgfältig alle Ecken der Kammer aus, dann fegte sie den Staub und die Strohreste in der Mitte des Raumes zusammen. Sie sammelte alles sorgfältig ein und warf es ins Feuer. Danach holte sie sich ein Stück Stoff und wischte das ganze Zimmer, jede Stelle, die Morach vielleicht berührt hatte. Runde um Runde drehte Alys durch die Kammer, wie eine Spinne, die ihr Netz spinnt. Runde um Runde, bis es keine Stelle mehr im Raum gab, die sie nicht gewischt hatte. Dann faltete sie das Stück Stoff ganz klein zusammen, als wolle sie den Geruch Morachs darin einfangen — und schleuderte es ins Feuer.
    Die Magd brachte nörgelnd neue Decken und einen Überwurf für das Bett, und Alys glättete sie über dem einsamen Kissen. Sie schüttelte die Bettvorhänge aus und band sie hoch. Dann trat sie zurück und sah sich mit einem kleinen Lächeln im Raum um.
    Als Zimmer für zwei Heilkundige, zwei Hebammen für die Geburt des einzigen Sohnes und Erben, war es großzügig gewesen. Als Zimmer einer einzelnen Frau, die alleine schlief, war es edel. Der Raum war fast so groß wie der von Lady Catherine, das Bett genauso groß, die Vorhänge fast so fein. Es war kälter als Catherines Zimmer — es ging nach Westen über den Fluß, aber luftiger. Alys hatte es vorgezogen, keine frischen Kräuter und Spreu auf den Boden zu streuen, aber das Zimmer roch sauber. Ein klarer Raum, ohne das übliche Durcheinander der Frauen, keine Töpfe mit Schminke, keine Cremes, keine Reste von Süßigkeiten wie in Catherines Zimmer. Alys' Gewänder, Umhänge, Hauben und Wäsche waren in einer Truhe untergebracht, all ihre Kräuter, ihr Mörser, ihr Kristall und ihre Vorräte in der Anderen.
    Alys zog den einzigen Stuhl ans Fenster, legte ihre Füße auf einen Schemel und schaute in die Flammen.
    Die Tür öffnete sich. Eliza Herring schaute ins Zimmer. »Da bist du ja!« sagte sie verlegen.
    Alys hob den Kopf und sah Eliza an, sagte aber nichts.
    Eliza sah sich um. »Du hast es ausgefegt«, sagte sie überrascht.
    Alys nickte.
    Willst du dich denn nicht zu uns setzen?« fragte Eliza. »Es muß dir doch langweilig sein, so alleine.«
    »Mir ist nicht langweilig«, sagte Alys kühl. Eliza trat verlegen von einem Fuß auf den Anderen, machte einen Schritt ins Zimmer und wich dann wieder zurück. »Ich schlafe heute nacht bei dir, wenn du möchtest«, bot sie an. »Du willst doch sicher nicht allein sein. Wir könnten es uns lustig machen. Margery wird nichts dagegen haben, wenn ich umziehe.«
    »Nein«, sagte Alys freundlich.
    »Wirklich nicht? Ich hab sie gefragt, weil ich mir gedacht habe, daß du Gesellschaft brauchst.«
    Alys schüttelte den Kopf.
    Eliza zögerte. »Zuviel trauern ist schlecht«, sagte sie wohlmeinend. »Morach war ein widerliches altes Weib, aber sie hat dich geliebt — das hat jeder gesehen. Du solltest nicht zu lange um sie trauern, Alys. Du solltest hier nicht ganz alleine herumsitzen und trauern.«
    »Ich trauere nicht«, sagte Alys. »Ich empfinde gar nichts. Weder für sie noch für euch Frauen, noch für Catherine. Verschwende deine Sorge nicht an mich, Eliza. Ich empfinde nichts.«
    Eliza blinzelte erschrocken. »Du stehst unter Schock«, versuchte sie, Alys' Kälte zu entschuldigen. »Du brauchst Gesellschaft.«
    »Ich brauche keine Gesellschaft, und ich kann nicht dulden, daß du hier schläfst«, sagte Alys. »Hugo möchte hier sicher sehr oft mit mir allein sein. Ich habe das Zimmer für uns beide vorbereitet.«
    Elizas Augen wurden groß, ihr Mund formte ein tonloses »O«. »Und was ist mit Mylady?« fragte sie, nachdem sie ihre Stimme wiedergefunden hatte. »Sie mag ja nicht ganz gesund sein, Alys, aber so viel Leben steckt noch in ihr, daß sie dich wieder auf die Straße setzt. Hugo würde sie nie vor den Kopf stoßen, solange sie sein Kind trägt.«
    Alys' Lächeln war eiskalt. »Sie wird sich daran gewöhnen«, sagte sie. »Ab jetzt wird alles anders werden.«
    Eliza blinzelte wieder. »Nur weil Morach ertrunken ist?« fragte sie.
    Alys schüttelte den Kopf. »Es hat nichts mit Morach zu tun. Ich erwarte ein Kind von Hugo. Es wird ein Sohn. Willst du mir sagen, daß er zulassen wird, daß

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