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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Somit mußte der alte Lord allein an dem langen hohen Tisch die Mahlzeit zu sich nehmen. Als das Fleisch abserviert wurde, erhob sich Alys vom Damentisch, ging zu ihm, beugte sich über ihn und stellte ihm eine Frage. Die Frauen hörten sein scharfes Lachen und eine leise Antwort an Alys. Dann bedeutete er ihr, sich auf einen Hocker in seiner Nähe zu setzen, und unterhielt sich mit ihr, bis das Mahl beendet war. David beobachtete sie mit funkelnden Augen, während er Kekse, Früchte und Hippocras-Wein servierte.
    »Soll Alys nicht mehr bei den Damen sitzen?« fragte er den alten Lord. »Ist sie jetzt Euer Gast, Mylord?«
    Der alte Lord grinste. »Ich habe mich gelangweilt«, sagte er streng. »Und es war keiner hier, mit dem ich mich unterhalten konnte. Wenn meine Schwiegertochter ihre Pflicht vernachlässigt, mit mir an einem Tisch zu speisen, und mein Sohn sich wie eine Hofdame in ihrer Kammer versteckt — was soll ich tun? Stumm herumsitzen?«
    David nickte zustimmend. »Ich habe nur gefragt, damit ich weiß, wo ich für sie decken soll«, entschuldigte er sich. »Wenn Ihr wünscht, daß sie mit Euch speist, werde ich ihr Zinngeschirr hier aufdecken lassen.«
    Der Lord schlug mit der Faust auf den Tisch. »Wenn Catherine nicht da ist, kann Alys doch ihren Teller haben, oder etwa nicht?« sagte er irritiert. »Wann in meinem Leben hatte ich nicht eine Frau mir gegenübersitzen, wenn ich es wünschte? Und Alys ist die schönste Frau im Schloß. Sie wird bei mir Platz nehmen, wenn Catherine nicht da ist, und sie wird aus einem Glas trinken und von Silbergeschirr essen. Ist das klar?«
    David verbeugte sich wortlos. Als er sich aufrichtete, sah er, wie Alys ihn beobachtete, ihre blauen Augen blitzten amüsiert. »Ich danke dir sehr, David«, sagte sie kühl. »Es ist sehr freundlich, daß du dich um mein Wohlergehen bemühst. Ohne dich wäre es nie zu dieser Einladung gekommen.«
    Der alte Lord lachte kurz und schnippte seine Finger nach mehr Wein. Alys nahm dem Mundschenk die Karaffe ab und schenkte ihm ein, wobei sie sich so vorbeugte, daß er die einladende Kurve ihrer Brüste besser sehen konnte.
    »Hübsche Hure«, sagte der alte Lord lächelnd und kippte das Glas in einem Zug hinunter.
    Alys erwiderte ohne jede Scham sein Lächeln.
    Nach der Mahlzeit ging sie mit Lord Hugh in sein Gemach, und er diktierte ihr Briefe, bis das Licht zu schwach wurde. Nachdem jetzt Jane Seymours Familie an der Macht war, mußte er seine Verbindungen neu arrangieren, und es gab Gerüchte, daß die Hochzeit so übereilt stattgefunden hatte, weil die Braut schwanger war. Angeblich versuchte sie, den König mit seiner Tochter Mary zu versöhnen. »Wieder eine papistische Prinzessin bei Hof«, sagte Lord Hugo nachdenklich. »Und alles schlittert haltlos herum wie die Decke einer Hure.«
    Alys ließ Kerzen und ein Glas Glühwein für den alten Mann bringen.
    »Ich bin des Wartens müde«, sagte er offen. »Es läßt sich so lange Zeit, dieses Kind von Catherine. Wann ist deines fällig?«
    »Ende November«, sagte Alys. »Wenn wir mit den Vorbereitungen für das Weihnachtsfest beginnen.«
    Der alte Lord nickte, er konnte kaum noch die Augen offen halten. »Das wird ein Spaß«, sagte er. »Zumindest für uns. Und was meinst du? Wird Catherine dann bald noch eines bekommen?«
    »Sie hat kränkliches Blut«, sagte Alys mit einem verächtlichen Achselzucken. »Aber es besteht kein Grund, daß sie nicht noch mehr Kinder bekommt. Es dauert vielleicht seine Zeit, denn sie ist nicht sonderlich fruchtbar, nicht wahr? Bei dem hier hat es neun Jahre gedauert!«
    Der alte Lord rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum. »Ich hätte ihn anderweitig verheiraten sollen«, sagte er erbost. »Aber es war so einfach, nachdem ich ihr Vormund war. Aber wenn ich es gewußt hätte, hätte ich sie nie mit Hugo vermählt.«
    Alys stellte sich hinter seinen Stuhl und streichelte seine Stirn. Er lehnte sich gegen den harten Stuhlrücken, ihre Berührung beruhigte ihn.
    »Grämt Euch nicht«, sagte sie. »Nächstes Jahr um diese Zeit werdet Ihr zwei Enkel haben — ihren und meinen. Nächstes Jahr um diese Zeit werde ich wieder von Hugo schwanger sein.«
    »Willst du eine Zucht begründen?« kicherte er mit geschlossenen Augen.
    »Ich will hier bleiben«, sagte Alys unumwunden. »Und ich will Hugo. Und ich will Euren Schutz. Gibt es da einen besseren Weg?«
    Der alte Lord schüttelte seinen Kopf. »Es gibt keinen besseren«, sagte er. »Solange du meinen Enkel

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