Die weise Frau
Catherine über mich bestimmt, wenn sie einen Sohn unter dem Herzen trägt und ich auch?«
»Aber ihrer ist rechtmäßig!« protestierte Eliza erschrocken.
»Und wenn schon«, sagte Alys achselzuckend. »Söhne kann man nie genug haben, und Hugo hat keine anderen. Ich bin sicher, daß beide als Erben behandelt werden, bis feststeht, daß die Nachfolge gesichert ist.«
Eliza verschanzte sich hinter der offenen Tür und lugte dahinter hervor. »Ist das Magie?« fragte sie. »Weiße Magie?« Alys lachte selbstsicher. »Das ist das Wissen sterblicher Frauen«, sagte sie. »Hugo schläft mit mir, seit er aus Newcastle zurückgekommen ist. Nachdem ich jetzt ein Kind von ihm erwarte, möchte ich ein Zimmer für mich allein und vielleicht eine Magd, die mich bedient. Warum sollte Catherine etwas dagegen haben? Es wird ihr gleichgültig sein.«
»Sie hat dir vorher auch das Leben schwergemacht«, warnte Eliza sie.
Alys nickte. »Ja«, sagte sie. »Aber jetzt ist sie krank und immer müde, und ich bin die einzige, die ihre Ängste beruhigen kann. Gleichgültig, was ich mache, sie wird sich an mich klammern. Und ich werde sie liebevoll pflegen.«
Eliza nickte wider Willen bewundernd. »Du bist weit gekommen, Alys.«
»Man nennt mich jetzt Mistress Alys«, sagte Alys. »Würdest du mir eine Wanne und einen Eimer heißes Wasser bringen lassen? Ich werde ein Bad nehmen.«
»Klingle doch selbst!« sagte Eliza erbost.
Alys fuhr aus ihrem Stuhl hoch, packte Eliza bei den Schultern und schüttelte sie mit wutverzerrtem Gesicht. »Ich werde dich nur einmal warnen, Eliza«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Alles ist jetzt anders hier. Ich bin nicht mehr Alys. Ich trage Lord Hughs Enkel unter dem Herzen, von seinem Sohn, der bei allen anderen Frauen außer mir und seinem Weib unfruchtbar ist. Nur seine Frau steht höher im Rang als ich. Ich kann dich zu meinen Freunden zählen oder zu meinen Feinden. Aber du wirst nicht lange hier leben, wenn wir Feinde sind.«
Elizas Widerstand brach zusammen wie ein Kartenhaus. »Du hast großes Glück«, sagte sie neidisch. »Du bist als Niemand gekommen, und jetzt soll man dich Mistress Alys nennen.«
Alys schüttelte den Kopf. »Ich bin als gelehrte Frau hierhergekommen, eine Heilkundige und Schreiberin des Lords«, sagte sie stolz. »Ich bin die Tochter einer edlen Dame. Ich bin dafür bestimmt. Dazu bestimmt, hier die Herrin zu sein, wie Jane Seymour es für die Krone ist. Und jetzt klingle, damit heißes Wasser gebracht wird. Ich werde ein Bad nehmen.«
Eliza nickte langsam. »Ja, Mistress Alys.«
Zwei Diener trugen das große Faß die Wendeltreppe hinauf in Alys' Zimmer und stellten es neben das Feuer. Eine Küchenmagd kam mit einem Leintuch und legte damit das Bad aus. Zwei Männer brachten riesige Eimer mit kochend heißem Wasser. Sie gossen es hinein und holten noch zwei Eimer. Alys schickte nach einem fünften, der neben dem Faß stehen sollte, mit einer Kelle, damit sie nach Belieben heißes Wasser nachschöpfen konnte Sie schloß die Tür hinter ihnen und öffnete die Truhe, in der sie die Kräuter aufbewahrte. Sie hatte getrocknetes Geißblatt und Rosenblätter in einem Leinenbeutel, aus dem sie eine Handvoll nahm und ins Wasser streute. Ihr Haar spülte sie mit einer winzigen Flasche Kamillenöl, dann lehnte sie sich im heißen Wasser zurück, legte den Kopf an den Rand des Fasses und zerrieb die Blumenblätter auf ihrem Körper. Ihre Hände kreisten um ihre Brüste, bis die Warzen sich verhärteten und unter ihrer Berührung kribbelten. Ihr nasses Haar schüttelte sie aus, ließ es über den Rand des Fasses fallen und auf dem Boden austropfen.
Als das Wasser langsam abkühlte, erhob sie sich aus dem Bad, wickelte sich in ein warmes Laken und saß in einsamem Schweigen vor ihrem Feuer. Sie schnüffelte an ihrer Haut wie ein wildes Tier. Sie roch nach Wiesenblumen, und ihr blondes Haar duftete nach Honig. Ihr Körper war geschmeidig, schlank und wunderschön, ihr Gesicht grimmig.
»Heute Nacht«, murmelte Alys leise. »Heute Nacht, Hugo.«
2O
Frisch gewaschen, parfümiert und geölt, in ein schlichtes, blaues Gewand mit einem blauen Band um die Taille gehüllt, mußte Alys den ganzen langen Tag all ihre Geduld zusammennehmen. Lady Catherine war immer noch so gramgebeugt, daß sie nicht am allgemeinen Abendessen teilnehmen wollte, und Hugo, der auf dem Weg nach unten in der Damengalerie vorbeischaute, erklärte sich bereit, mit ihr auf ihrem Zimmer zu speisen.
Weitere Kostenlose Bücher