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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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bin hier, um Euch das zu sagen.«
    Die alte Frau setzte sich mühsam auf den Schemel neben der Tür, Alys nahm zu ihren Füßen Platz. Mutter Hildebrande sagte nichts. Wartete.
    »Es liegt nicht an mir«, verteidigte sich Alys. »Lady Catherine Ist krank, dem Tode nahe, und keiner dort kann sie pflegen. Sie hatte eine Fehlgeburt und hat einen schrecklichen weißen Ausfluß. Man raunt, dies sei die Strafe dafür, daß Lord Hugo unser Kloster zerstört hat. Sie brauchen dort eine heilige Frau. Lady Catherine braucht mich, damit ich sie vor der Angst schütze. Keiner weiß, was zu tun ist. Sie hat Todesängste, obwohl sie keinerlei Schuld trifft. Unser gnädiger Herr wollte sicher nicht, daß ich sie im Stich lasse. Und außerdem lassen sie mich nicht fort. Selbst jetzt haben sie mich nur gehen lassen, damit ich ein paar Kräuter und Ulmenborke für sie hole.«
    Mutter Hildebrande sagte nichts. Sie saß sehr still da und beobachtete Alys' klares Profil. Sie saß zu ihren Füßen und hatte den Kopf an ihre Knie gelehnt, wie sie es immer getan hatte — und log.
    »Der alte Lord ist sehr milde«, versuchte Alys ihr einzureden. »Ihm ist es egal, welchem Glauben man folgt. Aber sein Sohn ist Protestant, ein Ungläubiger. Er war es, der unser Kloster zerstört hat, und jetzt hat er seine Aufmerksamkeit auf jedes religiöse Haus im Umkreis der Burg gerichtet. Sein Vater ist der Sheriff der Grafschaft, aber Hugo folgt den zerstörerischen Wahnvorstellungen des Königs. Er glaubt an nichts, er vertraut auf nichts. Er haßt den wahren Glauben und wirft Gläubige in den Kerker. Wenn er wüßte, daß Ihr hier seid — die Mutter eines Ordens, den er zerstört hat —, würde er Euch quälen, bis Ihr Eurem Glauben abschwört.«
    Mutter Hildebrande sah sie unverwandt an. »Ich fürchte ihn nicht«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Ich fürchte mich vor nichts.«
    »Aber was nützt das?« fragte Alys erbost. »Was nützt es, sich in Gefahr zu begeben, wenn Ihr mit ein bißchen Umsicht, Vorsicht und Abwarten an einen sicheren Ort fliehen könntet? Ist das nicht das Werk des Herrn? Sich in Sicherheit bringen, damit man wieder nach Seinen Gesetzen leben kann?«
    Mutter Hildebrande schüttelte den Kopf. »Nein, Schwester Ann«, sagte sie. »Die eigene Haut retten ist nicht das Werk des Herrn. Du spricht mit der schmeichelnden Stimme der Welt. Du sprichst von raffinierten Plänen und Gewinnen durch Täuschung. Der Weg, der uns versprochen wurde, ist dies nicht. Wir sollen Ihn in Worten verkünden und Ihn durch unser Leben zeigen. Ich war noch nie geschickt mit Worten, ich war nie eine kluge Frau, aber ich kann eine weise Frau werden. Ich kann Wahrheiten nicht mit Worten verteidigen, aber ich kann sie demonstrieren. Ich kann mein Leben leben und meinen Tod sterben, denn es gibt Dinge, die wichtiger sind, als sich an weltliche Güter zu klammern und den Tod abzuwehren.«
    »Es ist nicht weise zu sterben!« rief Alys.
    Mutter Hildebrande lachte sanft, und die trockene alte Haut ihres Gesichtes verzog sich zu Tausenden von Lachfältchen. »Dann sind alle Menschen Narren!« sagte sie leise. »Natürlich ist es weise zu sterben, Alys. Jeder wird sterben, die einzige Wahl, die wir haben, ist, ob wir im Glauben sterben. Wo immer und wann immer ich sterbe, ich will in meinem Glauben sterben, und mein Tod wird zeigen, daß das Wichtigste in meinem Leben war, mir den Glauben zu bewahren.«
    »Aber ich will leben«, sagte Alys trotzig.
    Die alte Frau lächelte. » Oh, ich auch!« sagte sie, und sogar Alys bemerkte die Sehnsucht in ihrer Stimme. »Aber nicht um jeden Preis, meine Tochter. Wir haben beide diese Entscheidung getroffen, als wir unser Gelübde abgelegt haben. Dieses Gelübde ist jetzt schwerer einzuhalten als damals, als du noch ein kleines Mädchen warst und das Kloster das beste Zuhause, das du dir vorstellen konntest. Aber es ist noch immer bindend, und diejenigen, die die Weisheit besitzen, es zu halten, werden die Freude erfahren, daß sie eins mit Gott und Seiner Heiligen Mutter sind.«
    Beide schwiegen.
    »Geh zurück zu deinen Kameraden«, sagte die alte Frau liebevoll. »Sag ihnen, daß Catherine ohne dich gesund werden muß. Und dann komm hierher zurück. Wenn dein furchtbarer junger Lord dir folgt, werden wir uns ihm entgegenstellen mit dem bißchen Mut, das der Herr uns gibt. Wenn nicht, werden wir hier ein neues Leben beginnen.»
    »Ich werde bewacht!« rief Alys. »Ich kann nicht weggehen. Sie werden mich nicht

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