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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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dem Teufel Seelen. Bis jetzt hatte er leichtes Spiel. Die römischen Priester haben die Menschen mit Lügen und Ängsten und Aberglauben und allen möglichen Zaubereien gefüttert. Jetzt tragen wir das Licht Gottes übers Land und schleudern den Teufel und seine Gefolgsleute wie diese alte Frau — in den glühenden Ofen.«
    Das grelle Sonnenlicht, das durch die hohen Ostfenster hereinströmte, blendete Alys, der Raum drehte sich bei Stephens Worten. »Oh, nein!« rief sie, tief betroffen. »Stephen, denkt doch daran, wie es für mich war, als ich das Gottesurteil ablegte. Erinnert Euch an meine Angst! Verschont diese alte Frau, und schickt sie weg, schickt sie nach Schottland! Schickt sie nach Frankreich! Verschont das dumme alte Weib. Sie ist verrückt. Ich hab es gesehen, als wir uns begegnet sind.«
    »Woher hat sie dann von Catherines Krankheit gewußt, wenn nicht durch Hexerei?« fragte Stephen. »Nur Ihr und Catherines Damen und Hugo haben davon gewußt. Nicht einmal Lord Hugh wußte, daß sie weißen Schleim geboren hat.«
    »Geklatscht wird überall«, sagte Alys hastig. »Sie ist wahrscheinlich eine von diesen gräßlichen alten Frauen, die den ganzen Tag auf der Kaminbank sitzen und tratschen. Ich hab ihr ein Kleid und etwas zu essen geschickt, wahrscheinlich hat sie mit dem Boten geredet. Verbrennt sie nicht, nur weil sie eine dumme, häßliche alte Frau ist, Stephen!«
    »Wir werden sie nicht verbrennen«, sagte Stephen.
    Alys sah in sein blasses, entschlossenes Gesicht. »Ihr werdet es nicht tun?« fragte sie. »Ich dachte, Ihr hättet gesagt, Ihr würdet sie ins Feuer werfen.«
    »Ich wollte damit sagen, sie muß die Flammen der Hölle erdulden, das Feuer des Jenseits«, sagte Stephen.
    »Ich habe Euch mißverstanden.« Sie hauchte ein leises Lachen. »Ich bin so erleichtert.« Sie legte eine Hand an ihren Hals und spürte, wie ihr hämmernder Puls sich unter ihren Fingern beruhigte. »Ihr werdet sie nicht verbrennen. Ihr werdet sie nicht verbrennen.«
    Alys lachte mit einiger Mühe. »Und ich hab vor Angst gezittert, daß ich eine alte Dame auf den Scheiterhaufen gebracht habe! Ich habe mich um sie geängstigt. Aber Ihr werdet sie nicht verbrennen, selbst wenn sie angeklagt wird. Selbst wenn sie für schuldig befunden wird.«
    »Nein«, erwiderte Stephen. »Hexen werden gehenkt.«
    Als Alys wieder zur Besinnung kam, lag sie in ihrem Bett, den grünen Himmel, den sie so liebte, über sich, die Vorhänge halb geschlossen, um ihr Gesicht vor der grellen Sonne zu schützen, die durch das Schießschartenfenster hereinfiel. Einen Augenblick lang wußte sie weder welche Zeit noch welcher Tag war. Sie lächelte wie ein Kind vor Freude über die prächtigen Stoffe, die sie umgaben, und streckte sich. Dann hörte sie das leise Knistern des Feuers in ihrem Kamin und spürte die Wärme der untergehenden Sonne. Sie erinnerte sich an das stille Grauen von Stephens Versprechen und Mutter Hildebrande, die heute nachmittag der Hexerei angeklagt werden würde, und sie schrie und setzte sich kerzengerade auf.
    Mary war sofort an ihrer Seite. »Mylady«, sagte sie ängstlich. »Mylady.«
    »Wieviel Uhr ist es?« fragte Alys ängstlich.
    »Das weiß ich nicht«, sagte Mary überrascht. »Fünf Uhr ungefähr. Die Leute verlassen gerade das Gericht. Es ist noch nicht Abendessenszeit.«
    »Die Gerichtsverhandlungen sind abgeschlossen?« fragte Alys.
    Mary nickte. »Ja, Mylady.« Sie musterte Alys besorgt. »Wollt Ihr mir sagen, was ich Euch holen kann?« fragte sie. »Solltet Ihr nicht etwas aus Eurer Kräutertruhe nehmen? Ihr seid sehr blaß, Mylady. Ihr seid beim Mittagessen in Ohnmacht gefallen, und sie haben Euch hier raufgetragen wie eine Tote. Und die ganze Zeit habt Ihr ganz still dagelegen. Der alte Lord war selbst hier, um nach Euch zu sehen. Habt Ihr denn nichts, was ich Euch holen könnte?«
    »Was ist bei den Gerichtsverhandlungen passiert?« fragte Alys.
    Mary runzelte die Stirn. »Ich war hier oben bei Euch«, sagte sie, etwas vorwurfsvoll. »Ich hab also nichts hören oder sehen können. Aber Mistress Herring hat mir erzählt, daß sie einen Mann wegen Diebstahls gebrandmarkt haben und Farmer Silter verwarnt wurde, weil er die Grenzsteine versetzt hat. Peter Marwicks Sohn —«
    »Und die alte Frau, die wegen Hexerei angeklagt ist?« unterbrach Alys.
    »Sie wurde nicht verurteilt«, sagte Mary. »Sie haben sie unter der Folter verhört, aber sie ist keine Hexe. Sie wurde von der Anklage der Hexerei

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