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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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vergessen, daß sie selbst nicht sicher war. Sie legte eine Hand über den Bauch. Ihre einzige Sicherheit war das Kind. Sie machte sich mühsam auf den Weg nach oben in die Damengalerie.
    Sie mochte zwar Hugos Sohn unter dem Herzen tragen, aber der alte Lord hatte von Anfang an geplant, ihr das Kind wegzunehmen und es zu adoptieren. Daran hatte Alys nicht gedacht. Sie blieb auf der Treppe stehen, bis sie wieder Luft bekam.
    »Ich bin krank«, sagte sie laut.
    Wenn sie krank war, würde Lord Hugh sie nicht bedrohen. Wenn sie krank war und in ihrem Bett lag, würde ihr keiner Vorwürfe machen, wenn Mutter Hildebrande sich in den Märtyrertod stürzte, ohne daß Alys ein Wort zu ihrer Entlastung sagte.
    »Ich bin krank«, sagte sie, und es klang schon etwas überzeugter. »Sehr krank.« Sie ging langsam die restlichen Stufen hinauf und öffnete die Tür.
    Mary saß am Kamin und stickte etwas Einfaches. Sie legte die Arbeit beiseite, als Alys hereinkam, und machte einen Knicks.
    »Lady Catherine hat nach Euch gefragt, Mylady Alys«, sagte sie freundlich. »Soll ich ihr sagen, daß Ihr da seid? Oder wollt Ihr Euch hinlegen?«
    Alys sah sie haßerfüllt an. »Ich werde Lady Catherine besuchen«, sagte sie. »Sie hat sich sehr aufgeregt, als sie durchs Fenster dich und ihren Mann flirten sah.«
    Mary hielt sich überrascht die Hand vor den Mund.
    »Der junge Lord Hugo sucht sich sein Vergnügen, wo es ihm beliebt«, sagte Alys kühl. »Aber biete dich nicht an, Mary. Wenn du Lady Catherine Kummer machst, wird sie dich aus dem Schloß jagen.«
    Marys Backen glühten vor Scham. »Es tut mir leid, Mylady«, sagte sie. »Es waren nur einige Worte und Gelächter.«
    Alys blickte so sauertöpfisch drein, als hätte sie nie Hugos herausforderndes, fröhliches Lachen gesehen. »Wenn du eine lüsterne Natur bist, solltest du dem jungen Lord besser aus dem Weg gehen«, sagte sie kühl. »Es wäre wirklich sehr schlecht für dich, wenn du seine Frau beleidigst. Du hast mir selbst erzählt, daß dein Vater arm und ohne Arbeit ist. Ich nehme an, es wäre für deine Leute zu Hause sehr schwierig, wenn du ohne deinen Lohn und ohne Hoffnung auf Arbeit nach Hause zurückkommst.«
    Mary senkte den Kopf. »Verzeiht, Mylady«, sagte sie unterwürfig. »Es wird nicht mehr passieren.«
    Alys nickte und ging in Catherines Zimmer, mit dem süßen Geschmack der Bosheit auf den Lippen.
    Catherine war angezogen und saß in einem Stuhl am Fenster und schaute hinaus auf Hof und Garten.
    »Wie gut Ihr ausseht, Catherine!« sagte Alys. Ihre Stimme war schrill und hoch. »Fühlt Ihr Euch besser?«
    Catherine wandte sich zu Alys, und ihr Gesicht war Kummer.
    Die alten harten Züge waren unter der rosigen Molligkeit der Schwangerschaft aufgetaucht.
    »Ich hab dich gerade im Garten gesehen«, sagte sie, »mit dem alten Lord.«
    Alys nickte mit wachsamer Miene.
    »Ich war eine Närrin«, sagte Catherine plötzlich. »Ich habe dein Mädchen zu mir gerufen und sie gefragt, ob du schwanger wärst, und sie hat einen Knicks gemacht und gesagt: ›Ja, Mylady‹, als wüßte es jeder!«
    Alys zog sich einen Stuhl heran und setzte sich.
    »Ist es von Hugo?« zischte Catherine wütend. »Ist es Hugos Kind? Ich muß blind gewesen sein, daß ich es nicht bemerkt habe. Als du durch den Garten gegangen bist, habe ich gesehen, wie du deinen Bauch nach vorne schiebst. Erwartest du ein Kind, Alys? Hugos Kind?«
    Alys nickte. »Ja«, sagte sie gelassen.
    Catherine riß den Mund auf und begann lautlos zu weinen. Riesige Tränen kullerten über ihr fahles Gesicht. Sie weinte schamlos, wie ein verletztes Kind, mit offenem Mund. Alys sah den ungesunden weißen Belag auf ihrer Zunge und einen fauligen Zahn.
    Catherine rang nach Luft und schluckte ihren Kummer hinunter.
    »Wann ist es passiert?« fragte sie.
    »Im Juni«, erwiderte Alys. »Ich werde im April niederkommen.«
    Catherine nickte und nickte weiter wie eine Puppe. »Es war also alles Lüge«, sagte sie. Sie holte ein Stück Leinen aus dem Ärmel und wischte sich ihr verweintes Gesicht ab. »Du wirst nicht mit mir kommen, das war alles Lüge. Du wirst hier bleiben, mit Hugos Kind, und hoffen, daß du immer höher in seiner Gunst steigst, und in der des alten Lords.«
    Alys sagte nichts.
    Catherine schluckte. »Und während ich geglaubt habe, daß du mit mir kommen wirst, hast du intrigiert, um mich fortzuschicken, damit du und Hugo es öffentlich treiben könnt. Du hast mich blamiert, Alys. Du hast mich vor dem ganzen

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