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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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freigesprochen.»
    Alys verspürte Erleichterung. »Sie haben sie freigesprochen«, sagte sie und schmeckte Hoffnung, süß wie neue Lust, auf ihrer Zunge.
    »Sie haben die Anklage abgeändert«, sagte Mary. »Sie wird jetzt wegen Ketzerei vor Gericht gestellt werden. Morgen wird sie bei der zweiten Sitzung des Gerichts vorgeführt.«
    Der Raum schwankte. Alys legte sich mit geschlossenen Augen in die Kissen zurück. Das Kind in ihrem Leib regte sich und schlug um sich, aufgestört von Alys' hämmerndem Puls. Alys fühlte, wie ihre Sünden sie überrollten. Ihr Magen drehte sich vor Angst, ihr Herz flatterte.
    »Hol eine Schüssel«, würgte sie. »Ich muß mich übergeben.«
    Mary hielt die Schüssel, während Alys einen Strom unverdauter Suppe vom Mittagessen erbrach und dann ihr Frühstück und dann gelbe Galle, bis sie nur noch würgte und nur noch Speichel aus ihrem leeren Magen hochkam.
    Mary beförderte die Schüssel in Windeseile aus dem Zimmer und kam mit einem Krug und einer Serviette, die mit kaltem Wasser getränkt war, zurück. Sie wischte Alys' Gesicht und Hals ab. Sie hielt ihr ein Glas Wasser an die Lippen.
    »Ist es das Schwitzfieber?« fragte sie Alys ängstlich. »Oder drückt das Kind zu fest gegen Euren Bauch? Der alte Lord sollte Euch nicht soviel arbeiten lassen! Kann ich Euch etwas zu essen holen?«
    Alys beugte sich nach vorn. »Hilf mir auf«, sagte sie.
    Mary protestierte, aber Alys schlug die Decke zurück und streckte ihr die Hände entgegen. »Hilf mir auf!« sagte sie.
    Sie hatten sie in ihrem blauen Kleid aufs Bett gelegt und dann zugedeckt. Das Kleid war verschwitzt und zerdrückt. »Zieh mir das aus«, sagte Alys.
    Mary löste die Schnüre, schüttelte das Kleid aus und legte es in die Truhe.
    »Ich werde mein grünes Kleid tragen«, sagte Alys.
    Unbeteiligt ließ sie sich von Mary anziehen. Ihre Beine zitterten, und Mary half ihr durch die Galerie hinunter in die große Halle. Die Diener rutschten Tische und Bänke an ihre Plätze zurück, nachdem das Gericht beendet war. Alys ließ sich von Mary zur Tür zum Garten bringen und schickte sie dann weg. Sie trat auf den Hof und ging hinaus in den Garten, um den alten Lord zu suchen. Er saß in der Laube und genoß die Abendsonne. Eliza Herring und Margery saßen bei ihm. Eliza spielte auf der Laute.
    Alys blieb kurz stehen und beobachtete die drei. Dann schritt sie über das Gras, ihr grünes Kleid raschelte um ihre Beine, bis sie vor Lord Hugh stand.
    »Alys«, sagte er hocherfreut. »Geht es dir schon besser? Du hast uns ganz schön angst gemacht. Eine so tiefe Ohnmacht hab ich noch nie gesehen. Setz dich! Setz dich!«
    Er scheuchte Eliza und Margery von der Bank und schickte sie weg. Sie machten einen Knicks und liefen mit zusammengesteckten Köpfen weg. Alys setzte sich neben Lord Hugh in die Sonne.
    »Wie süß die Luft duftet«, sagte sie. »Und wie gut der Garten gedeiht.«
    »Er ist nicht groß genug«, sagte Lord Hugh. »Meine Frau wollte immer, daß ich einen großen, geometrischen Garten anlege. Aber ich hatte nie die Zeit und das Bedürfnis, Geld für Blumen rauszuwerfen.« Er wedelte irritiert in Richtung der Hennen, die in den Blumenbeeten herumpickten. »Sie würden alles auffressen«, sagte er. »Wo ist der Küchenjunge? Sie sollten nicht hier draußen sein!«
    Alys lächelte. »Wie war sie denn, Eure Frau?« fragte sie.
    Lord Hugh überlegte. »Oh, gut«, sagte er. »Aus gutem Haus, religiös. Langweilig. Sie hat viel gelesen. Heiligenlegenden, Kirchenbücher, solche Sachen. Sie hatte tiefschwarze Haare – das war das Schönste an ihr. Lange, dichte, schwarze Haare. Hugo hat ihre Haare.«
    »Ist sie jung gestorben?« fragte Alys.
    Der alte Lord schüttelte den Kopf. »Sie war so um die vierzig oder so — ein gutes Leben für eine Frau. Sie war geschwächt von den vielen Geburten. Und Fehlgeburten. Himmel! Sie muß wohl ein Dutzend gehabt haben. Und am Ende sind davon nur zwei wertlose Töchter und Hugo geblieben.«
    Sie schwiegen in kameradschaftlichem Einvernehmen, Lord Hugh lächelte über alte Erinnerungen, Alys saß gefaßt neben ihm.
    »Diese alte Frau«, sagte sie ganz beiläufig. »Was ist mit ihr passiert?«
    »Die mutmaßliche Hexe?« Hugh kehrte wieder in die Gegenwart zurück. » Sie war gar keine Hexe. Sie haben sie unter Folter verhört, und sie hat nichts gesagt, was man als Hexerei bezeichnen könnte. Selbst Stephen hat das akzeptiert, und der sieht hinter jeder Tür eine Hexe.«
    Alys lachte gequält.

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