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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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sehen konnte, döste, ermattet von den endlosen Weihnachtsfeiern und den schlaflosen zwei Wochen davor.
    »Langweilig ist das«, flüsterte die aufrührerische Eliza ihr zu. »Alle anderen machen ihre Geschenke am Neujahrstag. Nur Lord Hugh ist zu geizig, in schlechten Zeiten zwei Festmähler zu geben!«
    Alys nickte desinteressiert.
    »Laßt uns noch einen Krug Wein trinken!« schlug Eliza vor. Sie winkte einer vorbeigehenden Serviererin. Margery runzelte die Stirn. »Du wirst betrunken werden«, sagte sie.
    »Das ist mir egal«, sagte Eliza. »Heute ist das letzte Fest. Sie will uns heute sicher nicht um sich haben. Sie wird sich ihr bestes Nachthemd anziehen und die ganze Nacht wach liegen in der Hoffnung, daß der Wein Hugos Lust geweckt hat.«
    »Still«, sagte die immer vorsichtige Ruth.
    Eliza goß kichernd aus dem frischen Krug ein. »Vielleicht schenkt er ihr zu Weihnachten endlich seine wahre Manneskraft«, flüsterte sie.
    Margery und Mistress Allingham brachen schockiert kichernd zusammen. Ruth warf ihrer Herrin einen ängstlichen Blick zu. Alys nippte an ihrem Glas.
    Sie mochte den Geruch von Wein. Zur Feier des Tages war heute der Damentisch mit Gläsern gedeckt, und Alys gefiel die Kühle des Glases an ihren Lippen. Bei Morach hatte sie aus irdenen Bechern oder Horngefäßen getrunken und im Schloß aus Zinn. Sie hatte kein Glas mehr an den Lippen gehabt, seit sie das Nonnenkloster verlassen hatte. Der Wein schmeckte nur nach Wein, nicht nach schlechtgeputztem Metall, die Gläser waren leicht und dünn, appetitlich. Alys nippte noch einmal. Die Trunkenheit und Wildheit der Feiertage waren an ihr vorbeigezogen wie leichter Dunst. Keiner hatte versucht, sie in einer dunklen Ecke zu packen und einen Kuß zu erhaschen, sie hatte mit niemandem getanzt. Der alte Lord paßte auf sie auf, und wenn ein Soldat sie zum Tanzen auffordern wollte, machte der alte Lord ein grimmiges Gesicht, und David schickte ihn weg. Lady Catherine begrüßte das mit ihrem schalen Lächeln und beugte sich zum Frauentisch.
    »Im Frühling werden wir auf deiner Hochzeit tanzen, Alys«, sagte sie mit süß-säuerlicher Stimme. Sie sah dem jungen Mann nach, der zu seinem Platz zurückgegangen war. »Das war Peter, der Bastard eines Offiziers von Lord Hugh. Den habe ich für dich ausgesucht. Findest du meine Wahl nicht trefflich?«
    Alys schaute hinüber zu ihm. Er sah nicht schlecht aus. Schlank, braune Haare, braune Augen, jung. Sie hatte gesehen, wie er bei der Bärenhatz einen sterbenden Hund erdolcht hatte. Sie hatte beobachtet, wie er während des Hahnenkampfes vor Erregung geschrien hatte, und stellte sich vor, wie ihr Leben als seine Frau aussehen würde, wenn sie für immer an einen Mann gebunden sein würde, den der Anblick von Schmerz so sehr erregte.
    »Sehr wohl, Mylady«, sagte sie und schenkte Lady Catherine ein falsches Lächeln. »Ein strammer Mann, wie mir scheint. Hat sein Vater es ihm erzählt?«
    »Ja«, sagte Lady Catherine. »Wir müssen den alten Lord dazu bringen, sich einen anständigen Sekretär als Ersatz für dich zu besorgen, und dann kannst du heiraten. Vielleicht an Ostern.«
    »Sehr wohl«, sagte Alys und senkte bescheiden den Blick auf ihren Teller, damit Lady Catherine die entschlossene Verweigerung in ihrem Blick nicht sehen konnte.
    Alys nippte wieder an ihrem Wein. Während der gesamten Feierlichkeiten und den Nächten voller trunkener Spiele hatte Alys gespürt, wie der junge Lord sie beobachtete. Auch Lady Catherine beobachtete sie. Alys legte das kühle Glas an ihre Wange. Sie mußte das Netz zerreißen, das Netz, das die drei, der alte Lord, der junge Lord und sein zänkisches Weib, über sie geworfen hatten. Sie mußte ihre Macht ergreifen, die kleinen Puppen zum Leben erwecken und sie nach ihrer Pfeife tanzen lassen.
    Über dem Tisch der Frauen — es war schließlich Weihnachten — steckten echte Wachskerzen im Kandelaber. Auf dem Tisch stand ein silberner Kerzenleuchter mit blassen, honigfarbenen Kerzen. Alys beobachtete die tanzende gelbe Flamme und das klare durchsichtige Wachs. Ein leiser Hauch von Süße ging davon aus, wie von allen Kerzen aus reinem Bienenwachs. Eine Erinnerung kam an die Oberfläche von Alys' Bewußtsein, und sie zuckte zusammen, als ihr klar wurde, daß diese Kerzen von den Nonnen gemacht worden waren.
    Eliza füllte ihr Glas wieder mit Wein, und sie trank erneut. - In dem Beutel an ihrem Gürtel steckten die drei Puppen aus Kerzenwachs. Wenn sie sich bewegte,

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