Die weise Frau
sagte sie. »Ihr braucht keine Angst zu haben.«
Catherine nickte. Alys' kühle Gelassenheit irritierte sie. »Ich fürchte nichts«, sagte sie. »Keiner außer ihm kann mir weh tun.«
Alys holte das Gebetbuch heraus und murmelte ein paar unsinnige Worte auf lateinisch. Sie wagte nicht, die Arbeit zu segnen, wie sie es früher getan hatte. Die Erinnerung an die unversehrte Hostie war noch zu deutlich. Sie wagte nicht, den Namen des Herrn oder seiner Mutter anzurufen. Aber sie wedelte mit dem Gebetbuch herum und flüsterte so leise, daß niemand behaupten konnte, sie hätte die Arbeit ohne Segen gemacht.
Sie berührte Lady Catherines runden Bauch mit ihren eisigen kleinen Händen und sah mit boshafter Genugtuung, wie das schlaffe Fleisch unter ihrer Berührung erzitterte.
»Ist diese Frau schwanger?« fragte sie. Der Kristall beschrieb einen langsamen Kreis nach rechts. Alys biß sich auf die Lippe und schmeckte ihr eigenes Blut warm und salzig wie eine Träne. Catherine war schwanger.
»Was sagt es? Was sagt es?« fragte Catherine.
»Ihr erwartet möglicherweise ein Kind«, sagte Alys bedächtig. Nur zu gerne hätte sie es bestritten. Aber nichts würde es daran hindern, in Catherines Bauch zu wachsen. Man konnte es nicht wegzaubern.
»Frag, ob es ein Sohn ist!« befahl Catherine.
»Ist das Kind männlich?« fragte Alys.
Der Kristall beschrieb wieder einen Kreis.
Catherine stieß einen Entzückensschrei aus. »Heißt das ja?« fragte sie.
Alys nickte.
»Schick nach dem jungen Lord!« sagte sie zu Ruth. »Du bleibst hier«, sagte sie zu Alys. »Vielleicht braucht er dich.«
Alys sammelte ihren Kristall und ihr Gebetbuch auf und ging zum Fenster. Draußen blies ein frischer Wind und brachte Schnee. Der kleine Kräuter- und Blumengarten der Burg war weiß verweht. Wenn es lange und heftig schneite, würden die Soldaten aus dem Schloß nicht zu Morach durchkommen. Alys hatte große Sehnsucht danach, da draußen zu sein in der Kälte und Einsamkeit des Moores. Alles war besser als hier zu sein, in diesem heißen, kleinen Zimmer, mit dieser gehässigen Frau, nach deren Pfeife der Mann, den sie liebte, tanzte.
Hugo kam ohne anzuklopfen herein. Catherine bedeckte sich nicht. Ihr Hemd war offen, die gespreizten Brüste und ihr Bauch entblößt. Das feine Bettlaken bedeckte ihre Scham nur unzulänglich. Sie sah Hugo an, als erwarte sie, daß er sie gleich wieder nehmen würde, vor Alys, vor Ruth.
»Ihr habt nach mir geschickt, Mylady?« sagte er knapp. Alys würdigte er keines Blickes.
»Ich habe Neuigkeiten für Euch«, sagte sie. Sie klopfte auf das Bett. »Kommt und setzt Euch zu mir.«
Hugo blieb stehen. »Verzeiht, Madam, aber ich bin in Eile«, sagte er. »Ich reite heute zur Jagd, und man wartet auf mich. Wenn ich mich nicht beeile, frieren die Pferde. Es geht ein kalter Wind.«
»Dann bleib zu Hause«, sagte Catherine einladend. Sie kuschelte sich tiefer ins Bett. Die Warzen ihrer Brüste waren bei seinem Anblick steif geworden. »Ich weiß einen Sport, der Euch amüsieren wird«, meinte Catherine.
Hugo nickte. »Heute abend, Madam. Ich habe meinem Vater Wildbret für sein Abendessen nächste Woche versprochen. Ich muß es heute erlegen.«
»Dann werde ich mich beeilen und Euch die Nachricht nicht länger vorenthalten. Eine gute Nachricht. Ich bin guter Hoffnung, und Alys glaubt, es ist ein Junge.«
Betretenes Schweigen. Hugo vermied es, Alys anzusehen.
»Eine bessere Nachricht könnte ich mir nicht wünschen«, sagte er, und man spürte, wieviel Beherrschung es ihn kostete, gelassen zu klingen. »Meine Glückwünsche, Madam. Ich hoffe, wir bekommen einen gesunden Sohn. Aber jetzt muß ich los.«
»Wohin reitet Ihr?« fragte Catherine.
Er blieb an der Tür stehen. »Nach Bowes Moor.«
»Oh, dann wartet!« sagte sie, als wäre ihr gerade erst der Gedanke gekommen. »Wartet, Mylord. Reitet zur Hütte von Alys' Verwandter und bittet sie, auf die Burg zu kommen. Gebt ihr einen Eurer Männer mit. Ich bedarf ihrer Künste, Alys braucht ihren Rat. Nicht wahr, Alys?«
»Morach hat mehr Erfahrung als ich«, sagte Alys. Sie hielt den Blick zu Boden gerichtet. Sie wußte, daß Hugo sie nicht ansah. »Aber Ihr braucht sie erst bei der Geburt, Mylady, im Oktober. Dann solltet Ihr sie holen lassen.«
»Mylord will sicher, daß ich alles für meine Gesundheit tue«, sagte Catherine bestimmt.
Hugo nickte. »Euer Wunsch ist mir Befehl, Madam. Ich kann sie heute holen lassen. Aber vielleicht will sie nicht
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