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Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
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ein persönliches Interpretieren der Finanznachrichten nicht mehr erforderlich (und vielleicht auch gar nicht mehr möglich). Man wird laufend belehrt, was Wertpapierhändler sagen und wie der »Markt« fühlt. Um die Metapher von John Maynard Keynes wieder aufzugreifen: Es ist ganz so, als ob CNBC den ganzen langen Tag hinausposaune, wer laut Meinung der anderen die Schönste im ganzen Land sei. Das macht es für den einzelnen Investor noch schwieriger als ohnehin, eine eigene, unabhängige Entscheidung zu treffen – was sich offensichtlich noch gravierender in Zeiten auswirkt, da die Investoren bereits einem Herdentrieb folgen. So wird beispielsweise an einem Tag, wenn CNBC mit der Schlagzeile MANIC MONDAY auf dem Bildschirm erscheint, jedwede Entscheidung der Investoren von der Panik erfasst, die der Sender vermittelt. Die Herdenmentalität wird epidemisch, weil es Mühe macht, überhaupt noch an etwas anderes als an das Tun der anderen zu denken.
    Doch auch unter Ausklammerung des Herdenproblems ist fraglich, ob ein Hagel von Nachrichten Entscheidungen positiv beeinflusst. Eine Experimentenserie des Psychologen Paul Andreassen mit Business-Studenten am MIT ergab: Ein Mehr an Nachrichten muss nicht ein Mehr an Information bedeuten. Andreassen teilte die Studenten in zwei Gruppen auf, deren jede ein Aktienportfolio zusammenstellte und über jede Aktie hinreichend Bescheid wusste, um für sie einen offenbar angemessenen Preis zu zahlen. Anschließend teilte Andreassen der einen Gruppe lediglich die Kursänderungen ihrer Aktien mit. Diese Gruppe konnte nach Belieben kaufen und verkaufen; als Entscheidungsbasis hatte sie jedoch eben nur Kenntnis vom Wertzuwachs oder -verlust ihrer Aktien. Die zweite Gruppe wurde überdies permanent mit Finanzkommentaren zu den Entwicklungen gefüttert, mit dem überraschenden Resultat, dass sie schlechter abschnitt als die weniger gut informierte Gruppe.
    Als Ursache vermutet Andreassen, dass die Zeitungsberichte naturgemäß die Bedeutung jeder Einzelinformation hochspielen. Verlor zum Beispiel eine Aktie an Wert, so wurde ihr Absacken normalerweise als Zeichen für weitere dräuende schwarze Wolken gewertet; zog eine Aktie an, schien es einen endlos blauen Himmel anzukündigen. Infolgedessen haben die Studenten Andreassens mit Informationszugang überreagiert. Sie kauften und verkauften wesentlich häufiger als die Studenten der Gruppe, die lediglich die Aktienpreise verfolgten; denn sie räumten jeder neuen Information eine übertriebene Bedeutung ein. Den anderen dagegen blieb gar keine andere Möglichkeit, als sich auf die Kernfakten zu konzentrieren, von denen sie sich bereits bei der Zusammenstellung ihres Aktienportfolios hatten leiten lassen.
    Das Problem einer Überbewertung von Einzelinformationen eskaliert, wenn sie allen Marktteilnehmern zukommen. Bedenken sollte man diesbezüglich ein Experiment, das der Finanzanalyst Jack Treynor durchführte. Treynor ließ die Studenten seines Finanzseminars die Anzahl von Geleebonbons in einem Glaskrug schätzen – der durchschnittliche Schätzwert wich erwartungsgemäß um weniger als drei Prozent von der tatsächlichen Zahl der Geleebonbons im Glaskrug ab – es waren 850, der mittlere Schätzwert betrug 871 -, und eine derart relativ hohe Genauigkeit der Gruppe wurde nur von einem einzigen Mitglied übertroffen. Bis zu diesem Punkt lief alles auf eine Bestätigung des Marktexperiments von Francis Galton über das Schlachtgewicht des Ochsen hinaus.
    Im zweiten Gang des Experiments aber wies Treynor seine Studenten ausdrücklich auf die Tatsache hin, dass der Krug diesmal nicht aus Glas, sondern aus Kunststoff bestand und nicht bis an den oberen Rand gefüllt war – womit er nahelegte, dass das Gefäß diesmal mehr Geleebonbons enthalten könnte. Und was geschah? Der mittlere Schätzwert der Gruppe lag um 15 Prozent daneben und war erheblich schlechter als etliche individuelle Schätzungen von Gruppenmitgliedern.
    Damit wurde bewiesen: Die zusätzliche Information verzerrte die Betrachtungsweise der Studenten. Nun hatte Treynor ihnen ja nichts Falsches erzählt; nur war es eine Wahrheit, die so formuliert war, dass sie in eine bestimmte Richtung deutete – der Krug enthielt wahrscheinlich mehr Geleebonbons, als es auf den ersten Blick wahrscheinlich erschien -, und deshalb unterminierte sie die kollektive Weisheit der Gruppe.
    Die Art und Weise, wie die Information dargeboten wurde, spielte dabei ebenfalls eine Rolle. Statt

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