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Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
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gelangt der Wirtschaftswissenschaftler Robert Hall zu folgendem Resultat: In diesem Zeitraum hat es keinerlei Relation zwischen Nachfrage und Preissteigerungen gegeben. Das heißt: Die Unternehmen haben ihre Preise einfach so, »freihändig«, fixiert und diese dann ungeachtet der Marktentwicklungen beibehalten. So folgen etwa die Textileinzelhändler im Allgemeinen einer ganz simplen Kalkulationsregel: Man nehme den Bezugspreis vom Grossisten und schlage eine fünfzigprozenzige Handelsspanne auf. (Wenn die Ware sich nicht verkauft, werden die Preise dann auf Teufel komm raus reduziert.) Und die Tonträgerindustrie ging bis vor kurzem kreuzfidel und von allem unbekümmert davon aus, dass die Konsumenten preisindifferent seien. Sie ließ sich tatsächlich von dem Glauben leiten, eine CD zum Preis von 17 Dollar in gleicher Menge verkaufen zu können, wie wenn die CD lediglich 12 oder 13 Dollar gekostet hätte.
    Ein besonders irritierendes Beispiel für den Triumph der Konvention über die Rationalität bieten aber die Kinos. Sie verlangen bei einem total durchgefallenen Streifen, der sich mühsam durch die letzte Spielwoche schleppt, die gleichen Eintrittspreise wie am ersten Vorführabend eines immens populären Films. Wir empfinden das irgendwie als normal und selbstverständlich, weil die meisten von uns sich nicht erinnern können, dass es früher einmal anders war. Ökonomisch gesehen ist solche Praxis jedoch wenig sinnvoll. Da werden Woche für Woche gleichzeitig Filme in ausverkauften Häusern und andere Streifen vor leeren Sälen gezeigt. Eigentlich müssten Unternehmen ihre Preise bei geringem Angebot und großer Nachfrage anheben beziehungsweise bei großem Angebot und geringer Nachfrage senken. Die Kinos aber fordern für alle Streifen – ganz gleich, ob ein Film Zuschauer anzieht oder nicht – unterschiedslos immer den gleichen Eintrittspreis.
    Einen guten Grund mag es freilich geben, warum Kinos bei einem Hit nicht mehr verlangen. Die Lichtspielhäuser verdanken ihre Einnahmen nämlich größtenteils den Konzessionen, müssen also darauf bedacht sein, dass so viele Menschen wie möglich hereinströmen. Die paar Dollar, die ihnen eine Erhöhung der Eintrittspreise von zehn auf 12,50 Dollar am ersten Wochenende der Laufzeit von Herr der Ringe an Mehreinnahmen bringen würde, lohnen das Risiko nicht, einen Ausverkauf der Karten aufs Spiel zu setzen, vor allem nicht wegen der Tatsache, dass den Kinobetreibern auch in den ersten Wochen eines neu anlaufenden Films von den Kasseneinnahmen lediglich 25 Prozent bleiben. (Drei Viertel der Einnahmen haben sie an die Verleihfirmen abzuführen.) Bei weniger populären Produktionen ist dieses Argument freilich nicht stichhaltig. Denn wenn die Kinos ihr Geld hauptsächlich mit Konzessionen verdienen und ihre Hauptaufgabe folglich darin bestehen muss, Leute anzulocken, ist es völlig unlogisch, diesen Kinofreunden für den Anblick von Cuba Gooding jr. in Snow Dogs während der fünften Vorführwoche ebenfalls zehn Dollar abzuknöpfen. So wie Einzelhändler ihre Überbestände preislich reduzieren, um sie unters Volk bringen zu können, müssten die Kinobetreiber bei nicht gut gehenden Filmen eigentlich die Kartenpreise senken, um ihre Häuser wenigstens halbwegs zu füllen.
    Und warum tun sie es dann nicht? Zu ihrer Rechtfertigung führen sie etliche Begründungen an. Erstens, so behaupten sie (so wie es vormals auch die Topmanager der Tonträgerindustrie getan haben), sei Kinogängern die Höhe der Eintrittspreise völlig gleichgültig; folglich würden bei weniger gefragten Filmen auch Preisnachlässe keinen regeren Besuch herbeiführen. Es ist dies ein Argument, das für Kulturgüter generell immer wieder ins Feld geführt wird – nichtsdestotrotz bleibt es falsch. Die Filmindustrie betreffend wirkt es freilich besonders grotesk, wissen wir doch: Millionen von Amerikanern, die nicht willens sind, acht Dollar zu berappen, um einen nicht eben berauschenden Streifen im Kino zu sehen, geben gern drei oder vier Dollar aus, um sich das Video ebendieses Films auf dem kleineren Fernsehbildschirm daheim zu Gemüte zu führen. Für Videoausleihen haben Amerikaner 2002 eine Milliarde Dollar mehr ausgegeben als für Kinobesuche. Das meist ausgeliehene Video dieses Jahres war, mit Michael Douglas in der Hauptrolle, der Thriller Don’t Say A Word [»Sag’ kein Wort«], der den Kinokassen gerade mal 55 Millionen Dollar bescherte. Woraus wir schließen dürfen: Da hat es eine

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