Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
Vom Netzwerk:
riesige Menge Leute gegeben, denen Don’t Say A Word keine neun, wohl aber vier Dollar wert war. Das wiederum legt die Schlussfolgerung nahe: Die immensen Einnahmen, die der US-Videoverleih Blockbuster verbuchte, hätten eigentlich auch die hiesigen Kinobetreiber einstreichen können.
    Zudem sorgen sich die Bosse der Kinoketten, Preisnachlässe könnten die Kunden verunsichern und die Verleihfirmen verärgern – ihnen müsste es sauer aufstoßen, so die Befürchtung, wenn Produktionen ihres Hauses als zweitklassige Ware eingestuft würden, und als Chefs der Kinoketten sei es für sie von existenzieller Bedeutung, die Vertreiber bei Laune zu halten, da die Kinoketten ja für jeden Film, den sie vorführen wollen, mit den Vertrieben einen separaten Vertrag schließen müssen. Doch ein zweitklassiger Film ist und bleibt nun mal ein zweitklassiger Film. Es ist für den Markt völlig unerheblich, ob die Verleiher eine solche Bewertung goutieren oder nicht. Und wenn die Verärgerung von ein paar Vertriebsbossen alles wäre, was die Kinoketten für eine Innovation ihres Kartenpreissystems in Kauf zu nehmen hätten, so wäre dieser Preis – sollte man doch wohl meinen – die Innovation gewiss wert. Modedesigner werden schließlich auch nicht gerade hellauf begeistert sein zu erfahren, dass ihre Kreationen zum Schlussverkauf in einer Saks-Filiale an der New Yorker Fifth Avenue mit einem fünfzigprozentigen Preisnachlass angeboten werden. Saks aber tut es trotzdem, ebenso Nordstrom und Barneys, und die Modehersteller machen nach wie vor mit ihnen Geschäfte.
    Schlussendlich mögen ökonomische Argumente nicht genügen, um die Kinos zur Aufgabe ihres herkömmlichen Preismodells zu veranlassen, das sie in einer Hinsicht übrigens ohnehin nicht einhalten. Zwischen Tages- und Abendvorführungen machen sie nämlich bereits einen Unterschied (die Karten für Matinée-Vorführungen sind billiger), obwohl sie sich beharrlich weigern, etwa den Unterschied zwischen Findet Nemo und Gigli anzuerkennen (die Eintrittspreise sind bei beiden Produktionen identisch). Solch ein Widerstand gegen Veränderungen ist in Bezug auf Erlöse und Gewinne geschäftlich nicht durchdacht. Er beweist wieder einmal nur die Kraft von Gewohnheiten und Konventionen. Dass die Kinokartenpreise heute für alle Filme gleichbleibend sind, ist nämlich lediglich ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Einst produzierte Hollywood zwei verschiedene Arten von Film: Spitzenfilme sowie B-Movies. Letztere liefen zu unterschiedlichen Zeiten in anderen Kinos; wie viel Eintritt man für einen B-Movie zahlte, hing davon ab, wo man wohnte und wann man ins Kino ging. Nur bei den Spitzenfilmen waren die Eintrittspreise immer gleich (mit gelegentlichen Ausnahmen – Film-Highlights wie My Fair Lady wurden in Kinos mit Platzreservierung zu erhöhtem Eintritt aufgeführt). Nun gibt es heutzutage aber keine B-Movies mehr. Hollywood klassifiziert sämtliche Produktionen als Spitzenfilme, und nur deswegen wird den Zuschauern immer gleich viel abverlangt.
    Diese Praxis sorgt zwar dafür – insoweit ist die Argumentation der Kinoketten richtig -, dass Kinobesucher (durch variierende Eintrittspreise) nicht verunsichert werden. Sie bedeutet allerdings auch, dass – wie die Wirtschaftswissenschaftler Liran Einav und Barak Orbach festgestellt haben – die Kinos »das Gesetz von Angebot und Nachfrage« missachten. Damit aber haben sie sich von ihrer Kundschaft abgewandt und isoliert.

6
    Zielstrebig zieht ein riesiger Starenschwarm über den Himmel Afrikas. Er wahrt seine Formation und Fluggeschwindigkeit auch dann, wenn er eine hoch aufragende Baumkrone elegant umgeht. Da stürzt sich von hoch oben plötzlich ein Falke in den Schwarm. Die Stare zerstreuen sich auf eine Weise, dass der Schwarm um den Greifvogel zu explodieren scheint – doch die Stare sammeln sich sofort wieder. Während der so getäuschte Räuber sich ihnen ein ums andere Mal im Sturzflug nähert, stiebt der Schwarm auseinander, formiert sich neu, löst sich wieder auf, formiert sich abermals und bildet in unablässiger Bewegung ein rätselhaftes wie wunderschönes Muster. Unterdessen wird der Falke immer konfuser. Es bleibt ja kein Star im Schwarm je am selben Platz, und das, obwohl der Schwarm als Ganzes sich nie für lange Zeit aufteilt.
    Von außen betrachtet scheint die Bewegung des Schwarms auf die Lenkung durch ein Bewusstsein hinzudeuten, das die Stare zu einem gemeinsamen Selbstschutzverhalten veranlasst.

Weitere Kostenlose Bücher