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Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
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ausdrückte: »Das System hindert einen daran, die Wahrheit zu sagen und man selbst zu sein.« Es gibt kaum einen, der das System schätzt; doch niemand vermag es zu ändern.
    Auf diese Weise versagt der italienische Fußball auf der Suche nach einer guten Lösung einer Kooperations aufgabe. Kooperationsprobleme scheinen Koordinationsproblemen oft sehr ähnlich, weil die Lösung beider es erfordert, dass jeder Teilnehmer in Rechnung stellen muss, was alle anderen machen. Ein Koordinationsproblem kann jedoch gelöst werden, wenn jedes involvierte Individuum redlich die eigenen Interessen verfolgt – im Falle des Aushandelns von Preisen kommt es genau darauf sogar entscheidend an. Bei der Lösung von Kooperationsaufgaben dagegen – dem Säubern der Bürgersteige von Schnee, dem Zahlen von Steuern, dem Eindämmen von Umweltverschmutzung beispielsweise – haben die Mitglieder einer Gruppe beziehungsweise Gesellschaft mehr zu leisten. Sie müssen ein breiteres Verständnis von Eigeninteresse aufbringen als das kurzsichtige Denken, das eine Profitmaximierung verlangt. Und sie müssen den Menschen ihrer Umgebung vertrauen können; bei mangelndem Vertrauen kann es nur eine sinnvolle Strategie geben: auf kurzfristigen Eigennutz aus zu sein. Wie aber entsteht Vertrauen? Und macht es wirklich einen Unterschied?

2
    Im September 2003 wurde Richard Grasso als Vorsitzender der New York Stock Exchange (NYSE) gefeuert. Es war das erste Mal in der Geschichte Amerikas, dass ein Spitzenmanager seinen Job verlor, weil er zu viel verdiente. Grasso hatte die New Yorker Börse seit 1995 geleitet und nach überwiegender Auffassung gute Arbeit geleistet. Er war zwar äußerst selbstbezogen, schien jedoch weder inkompetent noch korrupt. Als bekannt wurde, dass die NYSE Richard Grasso eine Pauschalzahlung in Höhe von 139,5 Millionen Dollar gewähren wollte – sie setzte sich aus Pensionsansprüchen, Rückstellungen und Sondervergütungen zusammen -, machte sich rasch öffentliche Empörung breit. Der Ruf nach einer Entlassung Grassos wurde in den folgenden Wochen geradezu ohrenbetäubend laut. Der Aufsichtsrat der NYSE – es handelte sich selbstverständlich um dieselben Herrschaften, die Grasso die Zahlung der fast 140 Millionen Dollar bewilligt hatten – forderte Grasso zum Rücktritt auf. Es war aufgrund des öffentlichen Aufruhrs unmöglich geworden, an ihm festzuhalten.
    Warum war nun die Öffentlichkeit so empört? Schließlich hatte nicht sie für die Millionen aufzukommen; die NYSE gab eigenes Geld aus. Und das Lamentieren über Grassos unerwartet hohen Einkommensschub brachte niemandem etwas. Zudem hatte Grasso das Geld inzwischen bereits auf seinem Konto, und die NYSE forderte es auch nicht von ihm zurück, etwa um es wohltätigen Zwecken zukommen zu lassen oder auf andere Weise zu investieren. Aus Sicht eines Ökonomen war die Reaktion der Öffentlichkeit zutiefst irrational. Ökonomen haben seit jeher (zu Recht) angenommen, dass der Mensch im Grunde seinen eigenen Interessen nachgeht. Und das hat ein paar Dinge zu bedeuten, die erwähnenswert scheinen (auch wenn sie möglicherweise allgemein bekannt sind). Erstens wird jemand, der die Wahl hat (Waren, Dienstleistungen oder einfach Handlungsmöglichkeiten betreffend), sich für das entscheiden, was ihm persönlich nutzt. Zweitens macht er dabei seine Entscheidung nicht vom Tun und Lassen anderer abhängig. Wer jedoch seiner Wut über die Höhe der Zahlungen an Dick Grasso Ausdruck verlieh, hatte – mit der etwaigen Ausnahme von Wirtschaftsjournalisten – dafür keinerlei konkreten Nutzen zu erwarten. Insofern war es tatsächlich irrational, Zeit und Kraft in Attacken auf Dick Grasso zu investieren. Genau das tat aber die Öffentlichkeit, sodass sich erneut die Frage stellt: Weshalb eigentlich?
    Das menschliche Verhalten könnte sich mithilfe eines Experiments namens »Ultimatum-Spiel« erklären lassen. Es ist das wohl bekannteste Experiment aus dem Bereich der verhaltensorientierten Wirtschaftswissenschaften. Die Regeln dieses Verhandlungsspiels sind einfach. Der Experimentator bildet eine Gruppe aus zwei Personen. (Sie können miteinander kommunizieren, sind einander aber nicht bekannt.) Die Gruppe erhält zehn Dollar, die nach folgender Manier geteilt werden sollen: Spieler Nummer eins (der »Vorgeber«) schlägt einen Teilungsmodus vor (50:50, 70:30 oder was immer) und macht Spieler Nummer zwei (dem »Erwiderer«) daraufhin das Angebot, es zu akzeptieren oder

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