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Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
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schon aus veritablem Eigeninteresse die schwarzen Schafe aus der Herde aussondern. In der Praxis bewahrheitet diese Theorie sich allerdings nur dann, wenn unlauter operierende Firmen bestraft werden. Und genau dies unterblieb gegen Ende der neunziger Jahre. Der Nasdaq-Index führte lachhafte Unternehmen. Angesehene Banken wie Goldman Sachs bürgten für sie. Wirtschaftsprüfer stempelten deren Bilanzen ab. (Im Zeitraum von 1997 bis 2000 mussten 700 Firmen die offizielle Erstbekanntgabe ihrer Erlös- und Gewinnrechnungen revidieren. Im Jahr 1981 waren es lediglich drei Unternehmen.) Keines dieser Unternehmen hatte für dergleichen Vergehungen auf dem Markt den Preis zu bezahlen. Ihre Aufträge nahmen nicht ab – sie nahmen sogar noch zu. Die Wirtschaftsprüfergesellschaft Arthur Andersen hatte kurz vor der Jahrhundertwende – erwiesenermaßen – die Bilanzen von buchhalterisch katastrophal geführten Unternehmen wie Waste Management und Sunbeam abgesegnet. Dennoch warfen die Investoren keine skeptischen Blicke auf Unternehmen wie WorldCom und Enron, die Arthur Andersen weiterhin als Wirtschaftsprüfer beschäftigten. Es lief darauf hinaus, dass die Investoren es unterließen, die Wächter zu überwachen, weshalb auch die Wächter ihre Aufgabe vernachlässigten. In einer Welt, in der nicht nur Quäker leben, sollte auch heutzutage stets das beherzigt werden, was bereits Lenin erkannte: »Vertrauen ist gut; Kontrolle ist besser.«

6
    In 5000 amerikanischen Wohnungen stehen andersartige als die allen bekannten, gewöhnlichen Sony-Fernsehgeräte – Apparate, die von der Konsumforschungsgesellschaft Nielsen Media Research mit elektronischen Überwachungsinstrumenten ausgerüstet wurden, mit den sogenannten »people meters«, welche die Einschaltquoten von Programmen kontrollieren. Sie sollen in Realzeit zweierlei messen: welche Sendungen angesehen und, gleichermaßen wichtig, von wem sie verfolgt werden. Jeder Angehörige einer »People-meter«-Familie« bekommt einen eigenen Code, den er jedes Mal eingeben soll, wenn er sich zum Fernsehen aufs Sofa setzt. Auf die Weise vermag Nielsen Media Research – es lädt die Daten von den »people meters« allabendlich herunter – festzustellen, dass Mama und Papa gern CSI sehen, während die Tochter im College-Alter Alias vorzieht.
    Solche Informationen braucht Nielsen selbstverständlich nur zu dem Zweck, die nach demographischen Daten lechzende Werbeindustrie zu versorgen. Für Pepsi-Cola mag es zum Beispiel von Interesse sein zu erfahren, dass 22 Millionen Amerikaner eine ganz bestimmte Episode von Friends verfolgten. Was der Brausehersteller jedoch vor allem wissen möchte, ist die Zahl der Personen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren, die diese Episode gesehen haben. Und mit seinen »people meters« verfügt Nielsen über die einzige Technologie, aus der Pepsi-Cola diese beziehen kann. Die landesweit operierenden Fernsehsender stützen sich darum für den Verkauf von Werbezeit auf die Erhebungen der »people meters«. Und das hat zur Folge, dass 5000 Familien darüber bestimmen, welche Werbespots und, mittelbar, welche Fernsehprogramme man in den USA zu sehen bekommt.
    So etwas wirkt irgendwie schon beunruhigend. Können die Interessen von 120 Millionen Haushalten denn von lediglich 5000 Familien abhängen? Die Nielsen Media Research tut alles, um zu gewährleisten, dass diese Menschen einen demographisch repräsentativen Querschnitt der amerikanischen Bevölkerung darstellen. Und obwohl die Ergebnisse der »people meters« kaum makellos sind – das gewissenhafte Einloggen der Testpersonen nimmt mit der Zeit ab -, haben sie gegenüber anderen Erhebungsmethoden einen großen Vorteil: Sie registrieren nämlich die Sendungen, die die Leute sich tatsächlich angeschaut haben, und nicht, an was sie sich im Nachhinein erinnern oder was sie behaupten gesehen zu haben. Alles in allem sind die Nielsen-Zahlen also wahrscheinlich exakter als die Ermittlungen üblicher Meinungsforschungsinstitute.
    Ein weiteres Problem der Nielsen-Resultate beruht darauf, dass die 5000 erfassten Familien über die ganzen USA verstreut leben. So liefern die Zahlen zwar ein relativ genaues Bild vom Konsum der landesweit ausgestrahlten TV-Programme, sagen aber nichts darüber aus, was sich die Menschen in einer bestimmten Großstadt an Lokalfernsehen anschauen.
    Das zu wissen ist aber von Bedeutung, da nicht alle Prime-time-Fernsehwerbespots landesweit, sondern zum erheblichen Teil für lokale

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