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Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
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Vertrauen die gesellschaftlich wertvollste Frucht von Marktinteraktionen darstellt, stiftet Korruption den größten sozialen Schaden. Zur Eindämmung der Korruption haben die Marktgesellschaften über die Jahrhunderte Mechanismen und Institutionen ins Leben gerufen – darunter Wirtschaftsprüfer, Rating Agencies zur Bewertung der Bonität von Unternehmen, unabhängige Analysten und, wie wir gesehen haben, sogar Wall-Street-Banken. Sie haben auch auf die Vorstellung gebaut, dass Unternehmen wie Individuen redlich, wenn nicht gar großzügig handeln, weil so ein langfristiger finanzieller Erfolg gesichert wird. Im 20. Jahrhundert entstand außerdem ein ziemlich hochentwickeltes regulatives System zum Schutz von Konsumenten und Investoren – Regularien, die meistens, freilich nicht immer greifen. Und wenn sie außer Kraft gesetzt werden, kommt es zu Zerfallserscheinungen wie in den späten neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts.
    Die Börsenblase der späten Neunziger schuf einen geradezu idealen Humusboden für Korruption. Bei vielen Konzernmanagern fegte sie, zum einen, den »Schatten der Zukunft« hinweg. Managern, denen klar war, dass der zukünftige Cashflow die wahnwitzig überhöhten Aktienkurse ihrer Unternehmen nie und nimmer würde rechtfertigen können, war ebenso bewusst, dass für sie selbst die Zukunft nicht so lukrativ werden würde wie die Gegenwart. Der Kapitalismus ist immer dann besonders stabil, wenn die Menschen überzeugt sind, dass der langfristige Nutzen fairen Verhaltens kurzfristige Gewinne durch skrupelloses Handeln überwiegt. Weil aber die Topmanager von Unternehmen wie Enron und Tyco (als Teil ihrer Gehaltsvereinbarungen) so viele Aktienbezugsrechte hatten und die Aufsichtsräte ihnen nicht auf die Finger schauten, gewannen ihre Gewinnmöglichkeiten bei eigennützigem und korruptem Verhalten eine Dimension, mit der verglichen langfristige Überlegungen in den Hintergrund traten. Im Fall von Denis Kozlowski, dem Boss von Tyco, ist schwer vorstellbar, wie er, wenn er auf seinem Posten geblieben wäre, 600 Millionen Dollar auf redliche Weise gescheffelt haben könnte. Mit unlauteren Methoden aber fiel es ihm bemerkenswert leicht. Die Investoren hätten begreifen müssen, dass die Spielregeln sich geändert und die Anreize für Manager, ihre Versprechungen zu halten beziehungsweise für das langfristige Gedeihen ihrer Firma zu sorgen, sich verflüchtigt hatten. Sie begriffen es aber nicht, und weil sie von ihren eigenen Gewinnen aus der Börsenhausse besoffen waren, ließen sie es an der gebührenden Sorgfalt fehlen, die selbst vertrauensvolle Investoren aufbringen müssen.
    Gleichzeitig öffneten jedoch gerade die Mechanismen und Institutionen, die zur Eindämmung von Korruption gedacht waren, der Bestechlichkeit schlussendlich noch Tür und Tor. Es ist die Aufgabe der Wall Street und der Wirtschaftsprüfer, zu unterscheiden zwischen vertrauenswürdigen und -unwürdigen Firmen, so wie das Underwriters Laboratory zwischen sicheren und gefährlichen elektrischen Fabrikaten unterscheidet. Wenn Goldman Sachs für eine Aktienemission zeichnet, gibt es damit kund und zu wissen, dass die Wertpapiere dieses Unternehmens einen echten Wert darstellen; desgleichen Merrill Lynch, wenn einer der Analysten dort eine Kaufempfehlung abgibt. Wenn die NYSE, die New Yorker Börse, ein Aktienunternehmen börsennotiert, dann bezeugt sie damit, dass diesem Unternehmen kein Ruch der Zwielichtigkeit anhaftet. Und wenn die Wirtschaftsprüfergesellschaft Ernst & Young eine Bilanz absegnet, so gibt sie uns auf diese Weise zu verstehen, dass wir dem Zahlenwerk des Unternehmens vertrauen dürfen.
    Wir sind bereit, solchen Beeidungen von Ernst & Young Glauben zu schenken, beruht deren Tätigkeit und Existenz doch einzig und allein auf ihrer Glaubwürdigkeit. Begänne das Underwriters Laboratory, sein »UL«-Gütezeichen an fehlerhafte Lampenfabrikate zu vergeben, durch die Menschen ums Leben kämen, wäre es bald aus dem Geschäft. In dem Sinne müssten Unternehmen den Auftrag zur Prüfung ihrer Bilanzen auch der Wirtschaftsprüfergesellschaft Ernst & Young entziehen, wenn diese einem Unternehmen Glaubwürdigkeit attestiert, das, wie sich dann herausstellt, seine Bilanzen gefälscht hatte. »Der Marktwert von Unternehmen«, so Alan Greenspan, der Chef der US-Notenbank, »basiert auf der Integrität ihrer Arbeitsweise.« Es geht also gar nicht darum, dass Buchhalter Heilige sein müssten. Sie müssten theoretisch

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