Die Weisheit des Feuers
und sei es auch nur, weil du ein Drachenreiter bist und ein Drachenreiter nicht ruhen darf, solange es im Land Unrecht gibt.« Er gluckste, und sein Bart zitterte, als er den Kopf schüttelte. »Ach, ich habe gar nicht genug Zeit, um auch nur die Hälfte von dem zu sagen, was ich dir gern sagen würde. Ich wäre glatt doppelt so alt wie jetzt, bevor ich fertig wäre. Um es kurz zu machen, gehe ich davon aus, dass Saphira dir bereits erzählt hat, wie deine Mutter und ich uns kennengelernt haben, wie Selena gestorben ist und wie es mich nach Carvahall verschlagen hat. Ich wünschte, wir beide könnten dieses Gespräch Auge in Auge führen, Eragon. Vielleicht kommt es ja noch dazu und Saphira braucht dir diese Erinnerung gar nicht zu überbringen, aber ich habe da meine Zweifel. Die Sorgen meiner Jahre drücken mich, Eragon, und ich spüre, wie mir eine Kälte in die Glieder kriecht, wie ich sie bis jetzt nicht gekannt habe. Ich glaube, es rührt daher, dass ich weiß, es ist nun an dir, das Banner zu tragen. Es gibt vieles, was ich noch zu vollenden hoffe, doch nichts davon ist für mich selbst, nur für dich. Aber du wirst alles, was ich je vollbracht habe, in den Schatten stellen, da bin ich ganz sicher. Doch ehe sich mein Grab über mir schließt, wollte ich dich wenigstens dieses eine Mal meinen Sohn nennen... Mein Sohn... Dein ganzes Leben habe ich mich danach gesehnt, dir zu offenbaren, wer ich bin. Nichts hat mich so glücklich gemacht, wie dich aufwachsen zu sehen, aber nichts hat mich auch so gequält wegen des Geheimnisses, das ich im Herzen trug.«
Brom stieß ein heiseres Lachen aus. »Nun, ich habe es nicht gerade geschafft, dich vor dem Imperium zu schützen, was? Und falls du dich immer noch fragst, wer die Schuld an Garrows Tod trägt, brauchst du nicht länger zu suchen, denn derjenige sitzt vor dir. Es war meine eigene Dummheit. Ich hätte nie nach Carvahall zurückkehren dürfen. Sieh dir doch an, wohin das Ganze geführt hat: Garrow tot und du ein Drachenreiter. Ich warne dich, Eragon, nimm dich in Acht, in wen du dich verliebst, denn das Schicksal scheint ein morbides Interesse an unserer Familie zu haben.«
Brom schloss die Lippen um den Pfeifenstiel, zog ein paarmal an dem glimmenden Carduskraut und blies den kalkweißen Rauch seitlich in die Luft. Der durchdringende Geruch stieg Saphira schwer in die Nüstern. Dann sagte Brom: »Es gibt viele Dinge, die ich bereue, aber du gehörst nicht dazu, Eragon. Du benimmst dich gelegentlich wie ein mondsüchtiger Narr - ich erinnere nur an die verdammten Urgals, die du entkommen hast lassen -, aber du bist kein größerer Dummkopf, als ich es in deinem Alter war.« Er nickte bedächtig. »Um ehrlich zu sein, ich war viel schlimmer. Ich bin stolz darauf, dass du mein Sohn bist, Eragon, stolzer, als du dir vorstellen kannst. Ich hätte nie gedacht, dass du ein Reiter werden würdest wie ich, noch habe ich mir diese Zukunft für dich gewünscht, aber wenn ich dich jetzt mit Saphira sehe, ach, dann könnte ich vor Vergnügen die Sonne ankrähen wie ein Hahn auf dem Mist.«
Er nahm noch einen Zug von der Pfeife. »Ich kann verstehen, wenn du mir böse bist, weil ich dir nichts gesagt habe. Ich wäre sicher auch nicht begeistert, den Namen meines Vaters auf diese Weise zu erfahren. Aber, ob es dir nun gefällt oder nicht, wir sind eine Familie, wir beide. Und wenn ich mich schon nicht so um dich kümmern konnte, wie es meine Pflicht als dein Vater gewesen wäre, so will ich dir das Einzige geben, was ich stattdessen für dich habe, und das sind gute Ratschläge. Hass mich, wenn du willst, Eragon, aber hör mir gut zu, denn ich weiß, wovon ich spreche.«
Mit seiner freien Hand griff Brom nach der Scheide seines Schwertes und die Venen auf seinem Handrücken traten deutlich hervor. Dann klemmte er sich die Pfeife in den Mundwinkel. »Also, mein Rat betrifft zwei Dinge. Was du auch tust, beschütze stets diejenigen, die du liebst. Ohne sie ist das Leben elender, als du es dir vorstellen kannst. Eine banale Feststellung, ich weiß, aber darum nicht weniger wichtig. Das ist der erste Teil meines Rates. Was den Rest anbelangt... Wenn du bereits das Glück hattest, Galbatorix zu töten - oder wenn
irgendjemand
dem Verräter die Kehle aufgeschlitzt hat -, dann herzlichen Glückwunsch. Wenn nicht, solltest du dir darüber im Klaren sein, dass Galbatorix dein größter und gefährlichster Feind ist. Solange er nicht tot ist, werdet ihr beide, du und Saphira,
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