Die Weisheit des Feuers
ihn daran zweifeln, ob es weise war, ihr die Kontrolle über seinen Körper zu geben. Doch dann dachte er an Saphira, die neben der Esse saß und auf ihn aufpasste, und seine Furcht schwand. Schließlich senkte er die letzten Barrieren um sein Bewusstsein.
Er hatte das Gefühl, als kratzte ein Kleidungsstück aus rauer Wolle über seine Haut, als Rhunön mit ihrem Geist in seinen eindrang und sich bis in die geheimsten Ecken seines Wesens ausbreitete. Er erschauerte bei der Berührung und hätte sich ihr fast entzogen, da ertönte Rhunöns raue Stimme in seinem Kopf.
Entspann dich, Schattentöter, dann wird alles gut.
Ja, Rhunön-Elda.
Rhunön begann, seine Arme zu heben, bewegte seine Beine, ließ seinen Kopf auf den Schultern rollen und experimentierte mit den Fähigkeiten seines Körpers. Es kam Eragon schon merkwürdig vor, dass sich sein Kopf und seine Gliedmaßen ohne sein Zutun bewegten, doch noch viel sonderbarer fühlte es sich an, als seine Augen plötzlich wie von allein von einer Stelle zur anderen zuckten. Das Gefühl von Hilflosigkeit versetzte ihn kurz in Panik. Als Rhunön ihn einige Schritte vorwärtsgehen ließ, stieß er mit dem Fuß gegen die Ecke der Esse und drohte zu stürzen. Sofort übernahm Eragon wieder die Kontrolle über seinen Körper und hielt sich am Horn des Ambosses fest, um sich abzufangen.
Greif nicht ein!,
fuhr Rhunön ihn an.
Wenn du während des Schmiedens im falschen Moment die Nerven verlierst, könntest du dir nicht wiedergutzumachenden körperlichen Schaden zufügen.
Du auch, wenn du nicht aufpasst!,
konterte Eragon.
Hab Geduld, Schattentöter. Bis zum Einbruch der Dunkelheit sollte ich den Umgang mit deinem Körper beherrschen.
Während sie darauf warteten, dass das letzte Licht am samtblauen Himmel verblasste, bereitete Rhunön die Esse vor und übte sich darin, verschiedene Werkzeuge zu bedienen. Ihre anfängliche Unbeholfenheit im Umgang mit Eragons Körper verschwand schnell, auch wenn sie einmal seine Fingerspitzen gegen die Tischplatte rammte, als sie ihn nach einem Hammer greifen ließ. Der Schmerz trieb Eragon die Tränen in die Augen. Rhunön entschuldigte sich mit den Worten:
Deine Arme sind länger als meine.
Als sie einige Minuten später mit der Arbeit beginnen wollten, bemerkte sie:
Es ist ein Glück, dass du die Geschwindigkeit und Kraft eines Elfs besitzt, Schattentöter, sonst könnten wir nicht hoffen, dieses Werk heute Nacht zu vollenden.
Rhunön legte die Stücke aus hartem und weichem Stahl, die sie benutzen wollte, auf die Esse. Auf ihre Anweisung hin erhitzte Saphira den Stahl, indem sie den Kiefer nur einen Fingerbreit öffnete, sodass die blauen und weißen Flammen als gebündelter Strahl aus ihrem Maul traten und nicht auf die ganze Werkstatt übergriffen. Das Feuer tauchte den Innenhof in ein grelles blaues Licht, in dem Saphiras blaue Schuppen strahlend hell funkelten.
Rhunön ließ Eragon den Sternenstahl mit einer langen Zange aus dem Feuerstrahl nehmen, sobald das Metall kirschrot glühte. Sie legte es auf den Amboss und trieb die Stücke mit mehreren schnellen Hammerschlägen zu Platten, die nicht dicker als ein viertel Zoll waren. Auf der Oberfläche des rot glühenden Stahls glitzerten jetzt helle Partikel. Wenn sie mit einer Platte fertig war, warf Rhunön sie in einen Trog mit Wasser.
Als schließlich der ganze Sternenstahl getrieben war, fischte Rhunön die Platten aus dem Wasser, das warm über Eragons Arme floss. Danach schliff sie jede Platte mit einem Stück Sandstein ab, um die schwarzen Flecken zu entfernen, die sich auf der Oberfläche des Metalls gebildet hatten. Dadurch trat die kristalline Struktur deutlich zutage, die Rhunön aufmerksam prüfte. Sie sortierte das Metall ein zweites Mal anhand der Kristallbildung nach Härte und Reinheit.
Durch ihre unmittelbare geistige Nähe war Eragon Zeuge von Rhunöns Gedanken und Gefühlen. Ihr umfassendes Wissen beeindruckte ihn. Sie sah Dinge in dem Metall, von deren Existenz er nicht einmal etwas geahnt hatte, und die Gedanken, die sie sich über die Behandlung des Metalls machte, überstiegen bei Weitem sein Fassungsvermögen. Er spürte auch, dass sie unzufrieden damit war, wie sie den Schmiedehammer beim Treiben des Metalls geschwungen hatte.
Rhunöns Verdrossenheit wuchs, bis sie schließlich sagte:
Pah! Sieh dir diese Dellen an! So kann ich keine Klinge schmieden. Meine Kontrolle über deine Arme und Hände reicht nicht aus, um ein Schwert zu
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