Die Weisheit des friedvollen Kriegers
über die Sproul Plaza – Studentendemonstrationen, wohin man schaute, jeden Tag Teach-Ins und was noch – und ich ging an allem vorbei wie im Traum. (…) So ließ ich mich treiben, ein Fremder in fremdem Land, gefangen zwischen zwei Welten, weder zur einen noch zur anderen gehörend.
Obwohl die Geschichte, die ich im Pfad des friedvollen Kriegers erzähle, während des Vietnamkrieges und der Studentenunruhen in Berkeley spielt, kommen diese Ereignisse darin kaum vor. Genau genommen ist der gerade zitierte Abschnitt sogar der Einzige, in dem ich die Demonstrationen erwähne. Den politisch und gesellschaftlich Interessierten unter meinen Lesern ist das durchaus aufgefallen.
Wie keinem Angehörigen meiner Generation konnten das Aufbegehren und der berechtigte Zorn der jugendlichen Aktivisten jener Zeit und speziell an jenem Ort natürlich auch mir nicht entgehen. » Schlagt das Establishment! Nieder mit dem Staat! Make love, not war!« Aber ich wollte kein zeitgeschichtliches Dokument oder einen politischen Kommentar verfassen. Was ich im Sinn hatte, war etwas Intimeres, die Geschichte einer geistigen Transformation, die Revolution im Herzen eines jungen Mannes, die die in zahllosen Herzen und Köpfen aller Epochen und aller Kulturen widerspiegelt. Mir ging es mehr um Zeitloses als um Zeitgeschehen.
Albert Einstein hat sinngemäß einmal bemerkt, man könne Probleme nicht auf dem gedanklichen Niveau
lösen, das sie überhaupt erst hervorgebracht hatte. Daher ist ein Massen-Erwachen vielleicht die einzige Revolution, die die Herzen, Wertvorstellungen und Prioritäten in unserer Welt tatsächlich zu verändern vermag.
Hier ein Intelligenztest: Man zeigt uns ein Waschbecken mit einem Stöpsel im Ausguss, und das Wasser läuft schon auf den Fußboden. Daneben stehen Wischmopp und Eimer. Der Intelligenztest besteht nun in der Entscheidung, die wir treffen: Greifen wir zum Wischmopp und fangen an den Boden aufzuwischen, oder stellen wir zuerst das Wasser ab und ziehen den Stöpsel? Jede Zeit hat ihren eigenen Aufruhr und ihr eigenes Leid; und Politik ist eine notwendige Form des Aufwischens.
In der globalen Arena der Politik und der Nationen tun viele hochgesinnte, intelligente, wohlmeinende, fleißige Männer und Frauen ihr Bestes, um zwischen Interessengruppen und widerstreitendenden Ideologien zu vermitteln, die von Angst, Egoismus und Konkurrenz geprägt sind. Der ewige Präsidentschaftskandidat Eugene McCarthy sagte einmal: »Politikern geht es wie Footballtrainern: Man muss zugleich schlau genug sein, um das Spiel zu verstehen, und blöd genug, es für wichtig zu halten.«
Die spirituelle Veränderung in den Herzen der Menschen, wie ich sie im Pfad des friedvollen Kriegers schildere, befähigt uns eines Tages vielleicht, die Menschheit als eine große Familie zu sehen, den Stöpsel zu ziehen und das Blutvergießen, das unseren Planeten bis auf den heutigen Tag quält, einzudämmen.
Aus diesen Gründen also ging ich im Pfad des friedvollen Kriegers nicht auf die Ereignisse der Sechzigerjahre, auf die ideologischen Auseinandersetzungen und wechselhaften
politischen Dramen ein, sondern konzentrierte mich ganz auf die inneren Kämpfe und das allgemeine Streben nach Erleuchtung.
Allen, die soziale und politische Lösungen für die Probleme unserer Welt suchen, ist mein Beifall sicher. Doch während die Aktivisten ihrer Berufung nachgehen, werde ich weiterhin von einem Weg der persönlichen Transformation sprechen, der auch seinen Teil zu einer fried- und liebevolleren Welt beiträgt.
Sein oder Nichtsein?
Eines Nachmittags saß ich wieder mal unter den Redwoodbäumen am Rande des Campus und sinnierte, wie ich mir am besten das Leben nehmen könnte.
Viele von uns machen irgendwann Zeiten durch, in denen wir uns die existenzielle Frage stellen müssen, die William Shakespeares junger Hamlet einst aufwarf:
Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage:
Ob’s edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern
Des wütenden Geschicks erdulden, oder
Sich waffnend gegen eine See von Plagen,
Durch Widerstand sie enden. Sterben – schlafen –
Nichts weiter! – und zu wissen, dass ein Schlaf
Das Herzweh und die tausend Stöße endet,
Die unsers Fleisches Erbteil – ’s ist ein Ziel
Aufs innigste zu wünschen. Sterben – schlafen –
Schlafen! Vielleicht auch träumen! – Ja, da liegt’s:
Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen …
Ich strolchte in dieser Zeit wie ein Obdachloser auf dem
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