Die weiße Bestie: Thriller (German Edition)
werden. « Martin bremste scharf und sprang aus dem Auto.
Die Stimmung wurde allmählich besser, und als sie sich Nairobi näherten, schien alles wieder in Ordnung zu sein. Caroline gähnte und streckte sich. Sie freute sich, ins Hotel zurückzukommen und ein Bad zu nehmen.
» Bist du eigentlich oft auf dem Land? « , fragte sie, nur um etwas zu fragen. Es würde angenehm sein, den Tag in einer einigermaßen guten Stimmung zu beenden.
Martin schielte zu ihr hinüber.
» Nein, nicht oft. Warum? «
» Nur so. « Sie schüttelte den Kopf. » Ich dachte nur, es muss anstrengend sein, allzu oft zu dieser Art von Expeditionen zu müssen. Das ist doch eine andere Welt dort draußen .«
Martin nickte, und es schien, als würde er etwas lockerer werden.
» Ja, das ist es. Aber nach und nach gewöhnt man sich daran, nicht alles, was sie sagen, auf die Goldwaage zu legen .«
» Was meinst du damit? «
» Ich möchte nicht rassistisch klingen, aber die Leute hier würden alles tun, was in ihrer Macht steht, um ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Zum Beispiel Dinge erzählen, die glatte Lügen sind. Man gewöhnt sich daran, aber es kann eine Weile dauern, bevor man lernt, das zu durchschauen . «
Caroline spürte seinen prüfenden Blick hinter den dunklen Gläsern der Sonnenbrille. Sie nickte. Das konnte gut sein.
» Aber das muss doch auch schwer für sie sein, sich sowohl mit Armut als auch mit Arbeitslosigkeit herumzuschlagen– und dann das mit den Mädchen « , fügte sie hinzu.
» Wenn das wahr ist, das wissen wir ja nicht .«
» Du glaubst nicht daran? «
Sie schaute Martin an.
» Ich kann nicht erkennen, warum man das glauben sollte. Ich finde, es hört sich ziemlich unrealistisch an .«
Er schüttelte abweisend den Kopf und trat auf das Gaspedal. Der Motor heulte auf.
» Warum, meinst du, hört sich das unrealistisch an? «
» Sie haben großes Interesse daran, als Opfer dazustehen .«
» Aber das macht sie nicht automatisch zu Lügnern .«
» Nein, aber es ist schwierig, all ihre Geschichten zu glauben, nicht? Ich meine, wer gibt Mädchen Schokolade, nachdem er sie vergewaltigt hat? «
Caroline nickte.
» Ja, das ist krank « , bestätigte sie, während sie durch die Frontscheibe blickte.
Sie näherten sich dem Zentrum, und die Hochhäuser schlossen sich immer dichter um sie herum. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie Martin die Sonnenbrille nach oben auf die Stirn schob und zu ihr herüberschielte.
Sie überholten ein Matatu, das so voll war, dass die Passagiere gegen die Seitenfenster gequetscht wurden. Caroline bekam flüchtig Augenkontakt mit einem kleinen Jungen, dessen Wange flach gegen die Scheibe gedrückt wurde. Er schaute ihr nach, als sie einscherten.
Plötzlich gefror alles in ihr zu Eis. Für eine Sekunde erstarrte ihr Körper, und Caroline saß wie versteinert da.
Niemand hatte während dieses Besuchs die Schokolade erwähnt, und sie wusste, sie selbst hatte Martin nicht davon erzählt.
Ihr Hals schnürte sich zusammen, und es war, als würde jegliche Sauerstoffzufuhr zum Gehirn unterbrochen.
Ihre Kopfhaut kribbelte vor Angst.
38
Martin ging nicht an sein Telefon.
Erreichbarkeit war ansonsten eine der Sachen, auf die John Hansen bei seinen Untergebenen Wert legte, und sein Stellvertreter antwortete immer, ungeachtet dessen, wo er sich befand, und ungeachtet der Tageszeit, zu der man anrief. So war es mit den örtlichen Mitarbeitern nicht. Sie vergaßen, ihr Handy aufzuladen, oder ließen es im Auto liegen, oder was für dumme Entschuldigungen ihnen auch einfielen, um nicht zu antworten, wenn der Chef sich meldete.
Es war nicht, weil John Hansen oft zu unpassenden Zeitpunkten des Tages anrief; er hatte, verdammt noch mal, auch keine Lust, ununterbrochen zu schuften. Aber wenn er seine Leute brauchte, mussten sie da sein, und jetzt hatte er mehrere Stunden lang versucht, Martin zu erreichen, ohne dass der Anruf entgegengenommen wurde.
Sie arbeiteten seit etwa zwei Jahren zusammen, Martin und er. Eigentlich hätte es John Hansen vorgezogen, die Show allein zu managen, aber als es nach und nach mehr Mitarbeiter und mehr Vertragsverhandlungen zu führen gab, musste er erkennen, dass eine rechte Hand notwendig war.
Martin war eine gute Wahl gewesen. Ein schlauer Kerl, der die meisten Beamten zu nehmen wusste.
John Hansen hatte diese Eigenschaft bereits während des Vorstellungsgesprächs bemerkt, wofür er sich in regelmäßigen Abständen selbst lobte. Vielleicht war er
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