Die weiße Frau von Devils Rock
versuchte sie den Wallach zu beruhigen. "Bleib stehen, ehe du uns beide in den Tod bringst. Bleib stehen, Percy, es ist alles in Ordnung." Der Wind riss ihr die Worte vom Mund, aber sie erreichten das Tier nicht. Wie von Sinnen rannte es die holprige Strasse entlang.
Einige Male schlingerte der Wagen gefährlich, und es sah aus, als würde er gleich umkippen. Doch er hielt allen Unebenheiten Stand. Dafür merkte Charlene, dass sie am Ende ihrer Kräfte angelangt war. Ihre Finger erschlafften, obwohl sie versuchte, mit Konzentration weiter auszuharren. Sie warf einen vorsichtigen Blick zur Seite. Wenn sie hier stürzte, dann lief sie Gefahr, sehr tief zu fallen.
Ihr Magen krampfte sich zusammen und im nächsten Augenblick war ihr klar, dass sie verloren hatte. Etwas gab ihr einen leichten Stoß, vielleicht war es auch nur ein großer Stein, über den eines der Räder gefahren war und sie damit noch mehr aus dem Gleichgewicht gebracht hatte.
"Nicht, bitte nicht", stöhnte Charlene nur, dann ließ sie los. Sie merkte noch, wie ihr Bein gegen etwas Hartes stieß, auch den ersten Aufprall spürte sie noch an ihrem Rücken. Und dann sah sie den Abgrund rasend schnell auf sich zukommen. Sie versuchte, sich an irgendetwas festzuhalten, das sie greifen konnte. Aber da war nichts. Ohne einen Laut von sich zu geben stürzte sie den Abhang hinunter. Dann war da nichts mehr, nur Dunkelheit.
15. Kapitel
Dr. Rowland saß noch lange an seinem Schreibtisch, nachdem Ashton ihn verlassen hatte. Er musste nachdenken. Vor allem konnte er sich nicht erklären, wie dieses alte Buch in seinen Schrank geraten war. Er wusste genau, dass er es noch nie zuvor gesehen hatte. Immer wieder schlug er es auf und versuchte, darin zu lesen, doch seine Gedanken schweiften ab. Er konnte Ashtons Geschichte nicht vergessen.
Ihm fielen einige Diagnosen ein, von denen er bereits gelesen hatte, doch bei keiner dieser Geschichten kam er zu keinem Schluss oder einer Erkenntnis, die ihm und vor allem seinem Patienten einen Ansatzpunkt für eine Therapie oder wenigstens eine Erklärung bot. Ashton wollte er helfen, denn seine Sorgen waren real.
Er griff wieder nach dem Buch und drehte es nachdenklich um. Er wurde das Gefühl nicht los, dass alles, was jetzt geschah, damit zusammenhing. Wenn er erfahren konnte, wer es geschrieben hatte, würde er vielleicht erfahren, wass er wissen wollte.
Doch die Herkunft des Buches würde er wohl nie klären können, denn es gab niemanden mehr, den er danach fragen konnte. Also versuchte er, aus dem Inhalt heraus einige seiner Fragen zu beantworten. Es war von Hand geschrieben und stellenweise unleserlich.
" Das Grauen lebt in Dragon House ", stand da geschrieben. " Tod und Verderben hausen in den Mauern, und eines Tages wird alles ans Licht kommen. Dann wird das Haus dem Erdboden gleich gemacht werden ."
Entsetzt klappte Marvin das Buch wieder zu. Wie meist hatte er von hinten angefangen zu lesen, und das waren die letzten Sätze, die der Schreiber zu Papier gebracht hatte.
"Das Grauen lebt in den Mauern von Dragon House", wiederholte er leise. Was hatte das zu bedeuten? Warum fiel ihm jetzt ausgerechnet Charlene ein? Was war mit ihr? Warum hatte er plötzlich solch eine entsetzliche Angst um sie, obwohl er wusste, dass sie in Sicherheit war?
Er sprang auf und trat ans Fenster, versuchte, an etwas anderes zu denken. Doch die Unruhe in ihm wurde stärker, sein Herzschlag beschleunigte sich. Er musste etwas tun.
Erregt ging er an den Tisch zurück, griff nach dem Buch und verließ mit raschen Schritten das Haus. Wenig später hatte er seinen Wagen angespannt und fuhr bereits in Richtung Dragon House. Auf der linken Seite, ein wenig auf einer Anhöhe, sah er Rochester Castle, und nicht weit entfernt auf der Straße, die vor ihm lag, entdeckte er eine einsame Gestalt, die er beim Näherkommen als Christina erkannte. "Willst du nach Hause?", fragte er das Mädchen und hielt seinen Wagen an. "Steig auf, ich will ebenfalls nach Dragon House." Er zuckte unmerklich zusammen. Zum ersten Mal fühlte es sich seltsam an, als er diesen Namen laut aussprach.
Christina lachte ihn herzlich an. "Danke, gern", antwortete sie begeistert. Dann sprang sie auf den Wagen und breitete die karierte Decke, die immer bereit lag, über ihre Beine. „Mum wollte mich abholen, aber sie ist nicht gekommen. Länger konnte ich aber nicht mehr warten, sonst hätte ich mit
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