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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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bolschewistischer Spion!«
    »Hier ist nicht Rußland, Bürger.«
    »Ach du lieber Gott, Geschwänzte. Guck, Marussja, mit Posamenten.«
    »Mir … ist schlecht …«
    »Der Frau ist schlecht.«
    »Allen geht’s schlecht, meine Liebe. Das ganze Volk hat es schwer. Das Auge, ihr stecht mir das Auge aus, drängelt nicht so! Seid ihr verrückt geworden, ihr Teufel?«
    »Raus! Nach Rußland! Raus aus der Ukraine!«
    »Iwan Iwanowitsch, jetzt müßten Polizeistreifen dasein, wissen Sie noch, wie früher manchmal bei den großen Kirchenfeiertagen? Oho!«
    »Nikolaus den Blutigen sehnen Sie herbei? Wir wissen, wir wissen sehr gut, was für Gedanken Sie im Kopf haben.«
    »Lassen Sie mich um Christi willen in Ruhe. Ich will mit Ihnen nichts zu tun haben.«
    »O Gott, wenn wir nur bald am Ausgang wären, ich brauche frische Luft!«
    »Ich halt’s nicht aus. Ich sterbe.«
    Aus dem Haupteingang wurde die Menschenmenge mit Druck herausgeschleudert, -gewirbelt, -gepreßt, verlor Mützen, redete durcheinander, bekreuzigte sich. Durch den zweiten, den Seitenausgang, wo gleich zwei Scheiben eingedrückt wurden, quetschte es die in Silber und Gold gekleidete, halb erdrückte, durcheinandergeratene Prozession nebst Chor. Goldene Flecke schwammen im schwarzen Gemisch, über der Menge ragten Kappen und Mitren, durch die Glastür kamen die Kirchenfahnen gesenkt heraus, richteten sich auf und schwebten senkrecht weiter.
    Es herrschte starker Frost. Über der STADT kräuselte Rauch. Der Hof der Kathedrale, über den Tausende von Füßen trappelten, knirschte ununterbrochen. Gefrorener Dunst stieg in der kalten Luft zum Glockenturm empor. Die schwere Glocke auf dem Hauptturm der Sophienkathedrale dröhnte, versuchte, das schreckliche Durcheinander zu übertönen. Die kleinen Glocken kläfften ohne Takt und Eintracht um die Wette, als wäre der Satan, der Teufel selbst im Priesterrock auf den Glockenturm gestiegen und veranstaltete den Radau zu seinem Vergnügen. Durch die schwarzen Öffnungen des mehrstöckigen Turmes, der einst mit unruhigem Geläut die schlitzäugigen Tataren empfangen hatte, war zu sehen, wie die kleinen Glocken gleich bissigen Kettenhunden zappelten und jaulten. Der Frost knirschte und dampfte. Die befreite Menge floß auseinander, die Seelen waren bereit zur Buße, der Platz vor dem Dom war schwarz von Volk.
    Mit untergeschlagenen Beinen saßen in einer Reihe entlang dem Steinweg, der zu dem großen Torbogen des Altsophien-Glockenturms führte, die Bettler, trotz der grimmigen Kälte mit unbedeckten Köpfen – einige kahl wie reife Kürbisse, andere dicht mit orangefarbener Wolle bewachsen – und sangen mit näselnden Stimmen.
    Blinde Banduraspieler leierten das schreckliche Lied vom Jüngsten Gericht, vor ihnen lagen umgestülpt zerlumpte Mützen, wie Blätter fielen dreckige Karbowanzenscheine und abgegriffene Münzen hinein.
    Oi, schon ist das Ende der Welt in Sicht,
bald stehen wir vor dem Jüngsten Gericht …
    Jämmerliche, herzzerreißende Töne kamen aus den gelbzahnigen krummgriffigen Banduras und stiegen von der knirschenden Erde empor.
    »Brüder und Schwestern, erbarmt euch meiner Armut. Eine milde Gabe um Christi willen.«
    »Laufen Sie zum Platz, Fedossej Petrowitsch, sonst kommen wir zu spät.«
    »Die Andacht.«
    »Die Prozession.«
    »Es wird ein Bittgottesdienst abgehalten, damit die ukrainische Volksarmee siegt und die revolutionären Waffen überwindet.«
    »Erlauben Sie mal, was heißt siegt und überwindet? Sie haben doch schon gesiegt.«
    »Sie werden noch mehr siegen!«
    »Es wird einen Feldzug geben.«
    »Wohin?«
    »Gegen Moskau.«
    »Was für ein Moskau?«
    »Das gewöhnliche Moskau.«
    »Bis dort langen eure Arme nicht.«
    »Was haben Sie gesagt? Sagen Sie das noch mal! Jungs, hört, was er sagt!«
    »Ich habe nichts gesagt!«
    »Haltet ihn, haltet den Dieb!«
    »Lauf, Marussja, durch das Tor dort, hier kommen wir nicht weiter. Man erzählt, Petljura ist auf dem Platz. Wir wollen uns Petljura ansehen.«
    »Blödes Weib, Petljura ist in der Kathedrale.«
    »Selber blöd. Er reitet auf einem weißen Roß, erzählt man.«
    »Hurra, Petljura! Die Ukrainische Volksrepublik – hurra!«
    »Bam, bam, bam … Bam-bam-bam … Tirli-bom-bom. Bam-bam-bam«, rasten die Glocken.
    »Erbarmt euch der Waisen, rechtgläubige Bürger, liebe Leute … der Blinden … der Armen …«
    Ein Beinamputierter mit lederbezogenem Hintern, ganz schwarz, griff wie ein verstümmelter Käfer mit den Handschuhen in

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