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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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den zertrampelten Schnee und kroch zwischen den Beinen hindurch. Arme Krüppel zeigten eiternde Wunden auf den frostblauen Oberschenkeln, wackelten mit dem Kopf, um Tick oder Paralyse vorzutäuschen, oder verdrehten die Augen, als wären sie blind. Im Gewühl knarrten die verfluchten Leiern wie alte Räder, sie stöhnten und heulten herztötend und seelenzermürbend, erinnerten an Armut, Betrug, Hoffnungslosigkeit, an die ausweglose Wildheit der Steppen.
    »Kehr zurück, arme Waise, die weite Welt …«
    Zottige, zitterige alte Weiber mit Krücken streckten dürre, pergamentene Hände vor und heulten:
    »Bildhübscher junger Mann! Gott schenke dir Gesundheit!«
    »Gnädige Frau, hab Mitleid mit der alten Frau, der armen Waise.«
    »Ihr Lieben, der Herrgott wird’s euch lohnen …«
    Plattfüßige Bettlerinnen mit Hauben auf dem Kopf, Bauern mit Schafpelzmütze, rotwangige Mädchen, Beamte im Ruhestand mit staubigen Kokardenspuren, ältere Frauen mit vorgeschobenem Bauch, flinke Kinder und Kosaken in Militärmänteln mit Mützen, von deren Spitzen blaue, rote, grüne oder lila Schwänze mit Gold-und Silberstickerei oder goldene Sargtuchquasten hingen, strömten wie ein schwarzes Meer über den Platz vor der Kathedrale, aus deren Türen neue und immer neue Wellen herausdrängten. An der frischen Luft atmete die Prozession auf, gewann Kraft, stellte sich um, rückte zusammen, und nun schwebten sie in strenger Ordnung vorüber, die Köpfe in karierten Tüchern, Mitren und Kappen, dichte Diakonsmähnen, Mönchskäppchen, spitze Kreuze auf vergoldeten Stangen, Kirchenfahnen mit Bildnissen des Erlösers und der Mutter Gottes mit dem Kind, geschlitzte, langschwänzige Banner, rosa, gold- und lilafarben, mit altslawischer Schnörkelschrift.
    Wie eine graue Wolke mit Schlangenleib, wie ein schmutzig-brauner trüber Fluß ergoß sich durch die alten Straßen die unübersehbare Kraft Petljuras auf den Sophienplatz zur Parade.
    Als erste durchbrach, mit Trompetengeschmetter und dem Getöse der glänzenden Schlagbecken den Frost sprengend, die blaue Division in dichten Reihen den schwarzen Fluß des Volkes.
    In blauen Shupans, die Persianermützen mit den blauen Deckeln keck in den Nacken geschoben, marschierten die Galizier. Hinter dem großen Blasorchester schwebten, von zwei Soldaten mit gezogenen Säbeln flankiert, zwei zweifarbige Fahnen, gefolgt von den Reihen der Soldaten, die mit gemessenen Schritten den kristallenen Schnee zerstampften und in gutes, wenn auch deutsches Tuch gekleidet waren. Hinter dem ersten Bataillon kamen die Schwarzen mit langen umgürteten Gewändern und mit Blechschüsseln auf dem Kopf, und das braune Dickicht der Bajonette zog wie eine stachelige Wolke zur Parade.
    In unübersehbarer Menge marschierten die grauen, stark mitgenommenen Regimenter der Setsch-Schützen. Es kamen die Trupps der Haidamaken, Infanteristen, eine Abteilung nach der anderen, und zwischen den Bataillonen ritten tänzelnd die braven Regiments-, Kompanie-und Abteilungskommandeure. Siegesmärsche dröhnten und heulten goldglänzend in dem vielfarbigen Strom.
    Hinter der Infanterie ritten in gelockertem Trab, im Sattel hüpfend, die Kavallerieregimenter. Die zerknitterten, in den Nacken geschobenen Papachas mit den blauen, grünen und roten Zipfeln, an denen goldene Quasten hingen, blendeten die Augen des begeisterten Volkes.
    Die Lanzen hüpften wie Nadeln, deren Öhr über die rechte Hand gezogen war. Zwischen den Reihen der Kavalleristen rasselten lustig die Schellenbäume, und die Pferde der Kommandeure und Trompeter wurden vom Geschmetter der Trompeten angetrieben. Der fröhliche, kugelrunde Bolbotun rollte an der Spitze seines Trupps, die niedrige fettige Stirn und die freudeglänzenden dicken Wangen dem Frost preisgebend. Seine Fuchsstute schielte aus blutunterlaufenen Augen, kaute an der Trense, verlor Schaum, bäumte sich auf und schüttelte den sechs Pud schweren Bolbotun durch. Der krumme Säbel des Obersts rasselte, seine Sporen berührten die empfindlichen Flanken des Pferdes.
    »Denn unsere Kommandeure
sind wie unsere Brüder!«
    sangen im Trab die kecken Haidamaken, und ihre bunten Mützenzipfel hüpften.
    Mit flatternder durchschossener gelbblauer Fahne, mit jauchzender Harmonika rollte das Regiment des dunkelhaarigen, schnurrbärtigen Obersts Kosyr-Leschko vorbei, der ein mächtiges Pferd ritt. Der Oberst schielte finster zur Seite und peitschte seinen riesigen Hengst über die Kruppe. Sein Mißmut war

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