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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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begründet: Nai-Turs’ Schüsse hatten seine besten Züge im Morgennebel an der Brest-Litowsker Chaussee vernichtet, und nun trabte das Regiment in stark gelichteten Reihen auf den Platz.
    Hinter Kosyr-Leschko ritt der tapfere ungeschlagene Schwarzmeer-Kavallerietrupp »Hetman Masepa«. Der Name des ruhmreichen Hetmans, der den Zaren Peter bei Poltawa beinah zugrunde gerichtet hätte, glänzte in Goldbuchstaben auf blauer Seide. Das Volk umspülte wie eine Wolke die grauen und gelben Häuserwände, das Volk stieg auf die Prellsteine, die Jungs kletterten auf die Laternen, saßen auf den Gesimsen, auf den Dächern, pfiffen, schrien: »Hurra! Hurra!«
    »Hurra! Hurra!« tönte es von den Bürgersteigen.
    Gesichter drückten sich an den Glasscheiben der Balkone und Fenster platt.
    Kutscher stiegen balancierend auf den Kutschbock der Schlitten und schwenkten die Peitschen.
    »Das sollten nun Banden sein. Da habt ihr die Banden. Hurra!«
    »Hurra! Hurra, Petljura! Heil unserem Vater!«
    »Hur-ra!«
    »Manja, guck, guck! Petljura höchstpersönlich auf dem grauen Pferd. Sieh, wie schön er ist.«
    »I wo, Madame, das ist ein Oberst.«
    »Wirklich? Und wo ist Petljura?«
    »Petljura ist im Schloß und empfängt französische Gesandte aus Odessa.«
    »Sind Sie verrückt, Herr? Was für Gesandte?«
    »Pjotr Wassiljewitsch, es wird erzählt« (Geflüster), »Petljura sei in Paris, was sagen Sie dazu?«
    »Das sollen Banden sein … Ein Millionenheer.«
    »Und wo ist Petljura? Leute, wo ist Petljura? Ich möchte ihn wenigstens mit einem Auge sehen.«
    »Petljura ist jetzt auf dem Platz und nimmt die Parade ab, gnädige Frau.«
    »Stimmt nicht, Petljura stellt sich in Berlin aus Anlaß des Bündnisvertrages dem Präsidenten vor.«
    »Welchem Präsidenten? Verbreiten Sie keine Provokationen, Bürger.«
    »Dem Berliner Präsidenten … Aus Anlaß der Republik.«
    »Haben Sie gesehen? Haben Sie gesehen? So würdevoll. In einem Sechsergespann ist er durch die Rylski-Gasse gefahren.«
    »Verzeihung, glauben die denn an die Bischöfe?«
    »Ich habe nicht gesagt, daß sie glauben oder nicht glauben. Ich sagte nur, er ist durchgefahren, weiter nichts. Machen Sie sich selber einen Vers drauf.«
    »Tatsache ist, die Popen halten jetzt Gottesdienst ab.«
    »Mit den Popen ist es sicherer.«
    »Petljura. Petljura. Petljura. Petljura.«
    Schwere Räder ratterten, Munitionskisten klirrten – den zehn berittenen Trupps folgten die unendlich langen Reihen der Artillerie. Dicke, stumpfe Mörser, schlanke Haubitzen rollten endlos vorbei, auf den Kisten saß lustiges, gutgenährtes, siegestrunkenes Bedienungspersonal, würdig und friedlich ritten die Vorreiter. Angestrengt zogen große, kräftige, satte Pferde mit runden Kruppen und auch kleine, an die Arbeit gewöhnte, an schwangere Flöhe erinnernde Bauernmähren die Geschütze. Die leichte Gebirgsartillerie rasselte, die kleinen, von braven Reitern umgebenen Kanonen hüpften über das Pflaster.
    »Ach, und uns wurde von fünfzehntausend Mann erzählt. Weshalb hat man uns belogen? Fünfzehntausend … Bandit … demoralisiert … O Gott, die sind ja nicht zu zählen. Noch eine Batterie, noch eine …«
    Die Menge drückte und knetete Nikolka, bis er endlich, die Entennase im Kragen des Studentenmantels versteckt, eine Wandnische fand, in der er bleiben konnte. Ein lustiges Weiblein mit Filzstiefeln, das schon in der Nische stand, sagte freundlich:
    »Halten Sie sich an mir fest, junger Mann, und ich halte mich an den Backsteinen, sonst fallen wir beide runter.«
    »Danke«, murmelte Nikolka mutlos im rauhreifbedeckten Kragen, »ich halte mich an dem Haken hier fest.«
    »Wo mag Petljura sein?« plapperte das geschwätzige Weiblein. »Ich möchte ihn so gerne sehen. Er soll unbeschreiblich schön sein.«
    »Ja«, murmelte Nikolka in seinen Persianerkragen, »unbeschreiblich.« Noch eine Batterie … Teufel noch mal … Jetzt versteh ich alles.
    »Er soll im Auto hier vorbeigefahren sein. Haben Sie ihn nicht gesehen?«
    »Er ist in Winniza«, antwortete Nikolka mit trockener Grabesstimme und bewegte die in den Stiefeln frierenden Zehen. Weshalb habe ich keine Filzstiefel angezogen, Teufel noch mal? So eine Kälte!
    »Guck, guck, Petljura.«
    »Unsinn, das ist ein Offizier der Wache.«
    »Petljuras Residenz ist in Belaja Zerkow. Das wird jetzt die Hauptstadt sein.«
    »Erlauben Sie mir die Frage: Kommt er denn gar nicht in die Stadt?«
    »Wenn die Zeit reif ist, wird er schon kommen.«
    »So, so,

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