Die weiße Garde
Wahrscheinlich wird Grauenhaftes in der STADT geschehen. O ja … Also heute nacht. Vielleicht fahren schon die Trosse durch die Straßen. Trotzdem, ich gehe zu ihr, ich gehe am Tage hin. Und ich bringe ihr … Klirr. Haltet mich! Ich bin ein Mörder. Nein, ich habe im Kampf getötet. Oder habe ich ihn nur angeschossen? Mit wem lebt sie? Wo ist ihr Mann? Klirr. Malyschew. Wo mag der jetzt sein? In die Erde versunken. Und Maxim … Alexander der Erste …
Die Gedanken wurden von der Klingel unterbrochen. In der Wohnung war nur noch Anjuta, alle anderen waren in die STADT gegangen, um vor dem Dunkelwerden verschiedenes zu erledigen.
»Wenn das ein Patient ist, laß ihn herein, Anjuta.«
»Gut, Alexej Wassiljewitsch.«
Jemand kam hinter Anjuta die Treppe herauf, legte in der Diele den Mantel mit dem Ziegenfellkragen ab und trat ins Wohnzimmer.
»Bitte schön«, sagte Turbin.
Vom Sessel erhob sich ein hagerer junger Mann mit gelblicher Gesichtsfarbe in einem grauen Feldrock. Seine Augen waren trüb, blickten aber konzentriert. Turbin, in weißem Kittel, ließ ihm den Vortritt in die Praxis.
»Setzen Sie sich. Womit kann ich Ihnen dienen?«
»Ich habe Syphilis«, sagte der Besucher heiser und sah Turbin offen und finster an.
»Waren Sie schon in Behandlung?«
»Ja, aber sie war schlecht und unregelmäßig. Sie half wenig.«
»Wer hat Sie zu mir geschickt?«
»Der Vorsteher der Nikolai-Kirche, Vater Alexander.«
»Wer bitte?«
»Vater Alexander.«
»Kennen Sie ihn?«
»Ich habe bei ihm gebeichtet, und das Gespräch mit diesem heiligen Alten hat mich seelisch erleichtert«, erzählte der Besucher und sah zum Himmel auf. »Ich glaubte, mich nicht behandeln lassen zu dürfen und die Prüfung, die Gott mir für meine schreckliche Sünde auferlegt hat, geduldig ertragen zu müssen, aber der Vorsteher hat mich überzeugt, daß ich falsch handle. Da habe ich mich gefügt.«
Turbin sah aufmerksam in die Pupillen des Patienten und prüfte als erstes die Reflexe. Aber die Pupillen waren normal, nur erfüllt von trauriger Schwärze.
»Hören Sie«, sagte Turbin und legte das Hämmerchen zur Seite. »Sie sind anscheinend ein religiöser Mensch.«
»Ja, ich denke Tag und Nacht an Gott und bete zu ihm. Er ist meine Zuflucht und mein Trost.«
»Das ist natürlich sehr gut«, sagte Turbin und ließ den Blick nicht von des anderen Augen. »Ich achte solche Gefühle, aber mein Rat ist: Geben Sie für die Dauer der Behandlung diesen hartnäckigen Gedanken an Gott auf. Er wird bei Ihnen schon zur fixen Idee. Und das ist in Ihrem Zustand schädlich. Sie brauchen Luft, Bewegung, Schlaf.«
»Nachts bete ich.«
»Das muß sich aber ändern. Sie müssen Ihre Gebetstunden verkürzen. Die ermüden Sie, Sie aber brauchen Ruhe.«
Der Kranke senkte demütig den Blick.
Er stand nackt vor Turbin und ließ sich untersuchen.
»Haben Sie Kokain geschnupft?«
»Unter den abscheulichen Lastern, denen ich frönte, war auch dieses. Jetzt aber nicht mehr.«
Weiß der Teufel … und wenn er ein Spitzbube ist und sich nur verstellt? Man muß in der Diele aufpassen, daß die Pelze nicht verschwinden.
Turbin kratzte dem Kranken mit dem Griff des Hämmerchens ein Fragezeichen auf die Brust. Das weiße Zeichen wurde rot.
»Hören Sie auf, sich für religiöse Fragen zu begeistern. Überhaupt sollten Sie möglichst wenig belastenden Gedanken nachhängen. Ziehen Sie sich an. Morgen fange ich an, Ihnen Quecksilber einzuspritzen, und in einer Woche mache ich Ihnen die erste Infusion.«
»Gut, Herr Doktor.«
»Kokain – verboten. Trinken – verboten. Frauen auch.«
»Ich meide Frauen und Gifte. Ich meide böse Menschen«, sprach der Kranke, während er sein Hemd zuknöpfte. »Der böse Geist meines Lebens, der Vorbote des Antichrist, ist in die Stadt des Teufels gefahren.«
»So geht es aber nicht, mein Lieber«, stöhnte Turbin. »So landen Sie noch in der Nervenklinik. Welchen Antichrist meinen Sie?«
»Ich spreche von seinem Vorboten, Michail Semjonowitsch Schpoljanski, einem Menschen mit den Augen einer Schlange und einem schwarzen Backenbart. Er ist ins Reich des Antichrist gefahren, nach Moskau, um ein Signal zu geben und der bösen Engel Heerscharen in diese STADT zu führen um der Sünden ihrer Bewohner willen. Wie weiland Sodom und Gomorrha.«
»Mit bösen Engeln meinen Sie die Bolschewiken? Einverstanden. Trotzdem, so geht es nicht. Sie werden Brom einnehmen. Dreimal täglich einen Eßlöffel.«
»Er ist noch jung. Aber
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