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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Abscheulichkeit steckt in ihm wie in einem tausendjährigen Teufel. Er verführt Ehefrauen zur Unzucht, Jünglinge zum Laster. Schon schmettern die Trompeten der sündigen Heerscharen, und über die Felder schwebt das Antlitz des Satans, der ihnen folgt.«
    »Sie meinen Trotzki?«
    »Ja, das ist der Name, den er angenommen hat. Sein Name heißt auf hebräisch Abaddon und auf griechisch Apollyon, was bedeutet – der Verderber.«
    »Ich sage Ihnen mit allem Ernst, wenn Sie damit nicht aufhören, wird bei Ihnen … Nehmen Sie sich in acht, das sind ja schon Wahnvorstellungen.«
    »Nein, Herr Doktor, ich bin normal. Wieviel bekommen Sie für Ihr heiliges Werk?«
    »Na hören Sie, jedes zweite Wort bei Ihnen heißt ›heilig‹. In meiner Arbeit sehe ich nichts besonders Heiliges. Ich nehme für die Behandlung wie alle. Wenn Sie bei mir in Behandlung bleiben wollen, lassen Sie einen Vorschuß da.«
    »Sehr gut.«
    Er knöpfte den Feldrock auf.
    »Vielleicht ist bei Ihnen das Geld knapp«, murmelte Turbin und blickte auf die abgewetzten Hosenknie. Nein, der ist kein Spitzbube, aber er schnappt über.
    »Nein, Doktor, ich beschaffe Geld. Sie erleichtern die Menschheit auf Ihre Weise.«
    »Und manchmal mit viel Erfolg. Das Brom nehmen Sie bitte regelmäßig ein.«
    »Völlige Erleichterung, verehrter Doktor, finden wir nur dort«, der Kranke zeigte fanatisch auf die weiße Decke. »Jetzt aber erwarten uns Prüfungen, wie wir sie noch nie erlebt haben. Und sie werden sehr bald kommen.«
    »Danke bestens. Ich bin schon genug geprüft.«
    »Verreden Sie’s nicht, Doktor, das darf man nicht«, murmelte der Kranke, während er in der Diele seinen Ziegenpelz anzog, »denn es steht geschrieben: Der dritte Engel goß aus seine Schale in die Wasserströme …, und es ward Blut.«
    Irgendwo habe ich das schon gehört. Aber natürlich, er hat sich ja ausgiebig mit dem Priester unterhalten. Die haben sich gesucht und gefunden.
    »Ich rate Ihnen allen Ernstes: Lesen Sie nicht so viel die Apokalypse. Ich wiederhole, es ist schädlich für Sie. Habe die Ehre. Morgen ums sechs Uhr bitte. Anjuta, laß den Herrn hinaus.«

    »Bitte, nehmen Sie es von mir an. Ich möchte, daß die Frau, die mir das Leben gerettet hat, etwas von mir zum Andenken hat. Es ist ein Armband meiner verstorbenen Mutter.«
    »Das ist nicht nötig. Warum denn? Ich möchte es nicht«, antwortete Julia Reiß und wehrte ab, aber Turbin gab nicht nach und befestigte das schwere, gehämmerte dunkle Armband an ihrem blassen Arm. Es verschönte den Arm und ihre ganze Gestalt. Trotz des Dämmerlichts war zu sehen, wie ihr Gesicht rosiger wurde.
    Turbin konnte nicht widerstehen, zog Julia mit dem rechten Arm an sich und küßte sie einige Male auf die Wange. Dabei rutschte ihm der Stock aus der geschwächten Hand und fiel polternd neben dem Tischbein zu Boden.
    »Gehen Sie jetzt«, flüsterte Julia, »es ist Zeit. Die Troßwagen fahren schon durch die Straßen. Passen Sie auf, daß Sie nicht angehalten werden.«
    »Ich habe Sie liebgewonnen«, flüsterte Turbin. »Erlauben Sie mir, Sie zu besuchen.«
    »Gern.«
    »Sagen Sie mir, warum sind Sie allein, und wer ist der Mann, dessen Bild auf dem Tisch steht? Der dunkelhaarige mit Backenbart.«
    »Das ist mein Cousin«, antwortete Julia und senkte den Blick.«
    »Wie heißt er?«
    »Wozu wollen Sie das wissen?«
    »Sie haben mich gerettet. Ich möchte es wissen.«
    »Ich habe Sie gerettet, und Sie glauben das Recht zu haben, es zu wissen? Schpoljanski heißt er.«
    »Ist er hier?«
    »Nein, verreist. Nach Moskau. Sie sind aber sehr neugierig.«
    Turbin zuckte innerlich zusammen und betrachtete lange den schwarzen Backenbart und die schwarzen Augen. Ein unangenehmer Gedanke blieb länger in ihm haften, während er den Vorsitzenden des »Magnetischen Trioletts« betrachtete. Der Gedanke war nicht ganz klar … Ein Vorbote. Dieser Unglückliche im Ziegenpelz … Was beunruhigt mich? Was nagt an mir? Was geht mich das an? Die bösen Engel … Ach, es soll mir egal sein. Hauptsache, ich kann wieder in dieses merkwürdige stille Häuschen kommen, wo das Bild mit den goldenen Epauletten steht.
    »Gehen Sie. Es ist Zeit.«

    »Nikolka? Du?«
    Die Brüder waren auf der unteren Terrasse des geheimnisvollen Gartens bei einem anderen Häuschen aufeinandergetroffen. Nikolka war verlegen, als habe man ihn bei etwas ertappt.
    »Ich war bei Nai-Turs, Aljoscha«, erklärte er und sah dabei so aus, als habe man ihn auf einem Zaun beim Äpfelmausen

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