Die weiße Garde
seine Lippen mümmelten.
»Du witzelst ziemlich viel in letzter Zeit.«
Nikolka lief rot an. »Viktor, wenn sie dir nicht gefällt, wisch ich sie weg. Bist du beleidigt?«
»Nein, ich bin nicht beleidigt, ich möchte nur wissen, weswegen du so aufgedreht bist. Du bist ein bißchen sehr fröhlich. Manschettenknöpfe stellst du zur Schau … siehst aus wie ein Bräutigam.«
Nikolka erblühte in himbeerrotem Feuer, seine Augen versanken in einem See von Verlegenheit.
»In die Malo-Prowalnaja-Straße gehst du ziemlich oft.« Myschlajewski gab dem Gegner mit schwerer Artillerie den Rest. »Aber das ist ja gut. Du mußt ein Ritter sein, die Turbinschen Taditionen fortführen.«
»Viktor, ich weiß nicht, wovon du redest«, murmelte Nikolka. »Wieso denn in die Malo-Prowalnaja-Straße?«
»Ja, dorthin … Geh aufmachen.«
Die Klingel in der Diele und in Nikolkas Herzen hatte geläutet. Im Wohnzimmer auf den Klaviertasten brach die Frisca aus der zweiten Rhapsodie unter Jelenas Fingern ab.
»Sehr erfreut. Sehr. Erlauben Sie mir, Sie vorzustellen. Alles Weißgardisten.«
»Elegant haben Sie’s hier, das habe ich nicht gewußt. Man wird richtig verlegen.«
»Ich bitte Sie. Achten Sie nicht darauf. Dies sind alles unsere Leute. Den Smoking tragen sie aus Prinzip. Wegen Petljura.«
»Und der sozialen Revolution«, warf Myschlajewski ein.
Irina Nai, ganz in schwarzen Trauerkleidern und mager, verblaßte neben der üppigen Jelena mit ihrem Goldschimmer, und sie wirkte im Lichterschein wie eine Trauerkerze. Nikolka drückte sich sinnlos hinter den Gästen herum, die einander vorgestellt wurden. Ihm schien, seine Hände und Füße wären unangenehm und ungeschickt festgeschraubt, und er wußte nicht wohin damit. Der Kragen schnitt ihm in den Hals. Er trug seine Studentensachen, und außer ihm war auch Karausche nicht im Smoking, sondern in Einreiher und gestreifter Hose, die ihn, dick wie er war, wie einen erfolgreichen Jungunternehmer aussehen ließen. Auch Scherwinski war nicht im Smoking. Dafür stellte er die Smokingträger in den Schatten. Er war im Frack. Und das war ein Frack, verlassen Sie sich darauf! Erstens schlug die rechte Seite seines Plastrons, wenn Sie gestatten, Wellen wie die Papierrüsche eines Schinkens, in den Halbmond der Weste war etwas eingesetzt, was in Seidenfarben schillerte und mit dem Sternenbanner der majestätischen Vereinigten Staaten Ähnlichkeit hatte. Die Kragenknöpfe waren Brillanten,jeder zu einem Karat. Also zwei Karat. Die Hose war gebügelt und hochgezogen, so daß die engmaschigen Socken zu sehen waren. Seine Slipper schließlich waren mit schwarzen Schleifen geschmückt. Verlassen Sie sich darauf, binnen einem Monat würde er im Operntheater debütieren, trotz dieses Kerls Petljura und seines Pöbels. Den Dämon würde er singen. Re … la … fa … re! Ähem … Er stellte schon was vor!
»Die Stimme ist wirklich erstaunlich.«
»Ja, ich habe davon gehört. Man hat mir von Ihnen erzählt. Sie haben an dem Hetmanabend im Kaufmannsklub gesungen.«
»Das war er.«
»Singen Sie bitte. Ich bitte Sie sehr. Den Dämon.«
»Den Dä-mon!« (Nikolka hatte den obersten Rang in der Oper nachgeahmt. Sehr treffend.)
»Man sagt, Sie hätten eine Stimme wie Battistini.«
»Sogar noch etwas schlechter.«
»Nicht weinen, Kindchen.« (Der oberste Rang.)
»Er ist nicht stolz. Er wird singen.«
»Irina Felixowna, setzen Sie sich nicht zu nahe. Da hört man nichts.«
»Man hört ihn besser aus dem anderen Zimmer.«
»Noch besser aus der anderen Straße.«
In schwarzen Notenzeichen, dicht an dicht, erhob sich der Dämon über der hundertlippigen Klaviatur und drängte Valentin zur Seite, unter den rosa Lampenschirm. Gleichwohl würde Valentin bald ermordet werden, er war es schon. Bald würde der tückische Dämon herrschen. Aber der Dämon kam nicht dazu, Wassilissa zerschlug ihn. Wassilissa trug natürlich keinen Smoking. Auch seine Schuhe waren nicht festlich, sondern alltäglich. Seine Festtagsschuhe waren an den Füßen von Nemoljaka in eine unbekannte Finsternis davongegangen.
* Wassilissa verbeugte sich nach rechts und links, drückte allen freundlich die Hand, besonders Karausche, und ging mit knarrenden Schuhen zum Klavier. Jelena reichte ihm mit sonnigem Lächeln die Hand, die Wassilissa mit einem komischen Bückling küßte. Teufel noch mal, seit er sein Geld los ist, ist er direkt sympathisch geworden, dachte Nikolka und philosophierte: Vielleicht hindert das Geld die
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