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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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blinzelte den Wäldern am Dnepr zu. Auf der hintersten Plattform ragte ein mit einer Klappe verschlossenes riesiges Geschützrohr in die schwarzblaue Höhe, dessen Mündung direkt auf das zwölf Werst entfernte mitternächtliche Kreuz zielte.
    Die Station war in Entsetzen erstarrt. Sie hatte sich die Dunkelheit tief in die Stirn geschoben, aus der, vom abendlichen Getöse verwirrt, gelbe Lichtchen blinkten. Auf ihren Bahnsteigen herrschte trotz der frühen Stunde ständige Hast. In der niedrigen gelben Telegrafenbaracke brannte in drei Fenstern grelles Licht, und durch die Scheiben drang pausenlos das Klappern von drei Apparaten. Trotz der grimmigen Kälte liefen Menschen in knielangen Schafpelzen, Militärmänteln oder schwarzen Joppen auf den Bahnsteigen hin und her. Etwas abseits vom Panzerzug stand ein langer Militärtransport, in dem alles wach war, Türen schlugen und Soldaten einander zuriefen.
    Neben der Lok und dem ersten Wagen des Panzerzuges pendelte ein Mensch in langem Militärmantel, zerrissenen Filzstiefeln und spitzem Baschlik hin und her. Das Gewehr hielt er behutsam im Arm wie eine müde Mutter ihr Kind, und im spärlichen Licht der Laterne lief sein spitzer schwarzer Schatten mit dem stummen Bajonett auf dem Schnee zwischen den Schienen neben ihm her. Der Mensch war unendlich müde und tierisch durchgefroren. Die blauen Hände mit den steifen Fingern suchten in den zerfetzten Ärmeln vergeblich Wärme. Aus der rauhreifbedeckten, fransigen Baschliköffnung blickten der steifgefrorene Mund und die von bereiften buschigen Wimpern umrahmten Augen. Die Augen waren blau, müde, schläfrig, leidvoll.
    Der Mann ging mechanisch hin und her, das Bajonett gesenkt, und hatte nur einen Gedanken: Wann endlich ist diese grimmig kalte Folter zu Ende, wann endlich darf ich von dieser vertierten Erde in einen Wagen gehen, wo die Heizungsrohre göttliche Wärme ausströmen, wo ich mich auf eine schmale Pritsche werfen, mich ausstrecken und ruhig liegen kann? Der Mann und sein Schatten liefen vom feuerspeienden Leib der Lok bis zu der dunklen Wand des ersten Wagens, mit der schwarzen Aufschrift:
    Panzerzug »Proletarier«
    Der Schatten, bald groß, bald häßlich bucklig, aber immer mit spitzem Kopf, pflügte mit seinem schwarzen Bajonett den Schnee. Die bläulichen Strahlen der Laterne hingen hinter ihm. Zwei bläuliche Monde schienen auf dem Bahnsteig, sie wärmten aber nicht, waren trügerisch. Der Mann suchte nach einer Wärmequelle, fand aber nichts, er biß die Zähne zusammen, bewegte die Zehen ohne jede Hoffnung, sie zu erwärmen, und starrte zu den Sternen auf. Am bequemsten war es ihm, den Stern Mars zu betrachten, der vorn, bei Slobodka, am Himmel leuchtete. Sein Blick überwand Millionen Werst und blieb auf dem rötlichen, lebendigen Stern haften. Der dehnte sich und schrumpfte wieder, war sichtlich lebendig und hatte fünf Zacken. Manchmal, wenn die Müdigkeit unerträglich wurde, blieb der Mann stehen, stützte den Gewehrkolben in den Schnee und sank im selben Moment in einen durchsichtigen Schlaf, aus dem weder die schwarze Wand des Panzerzuges noch die Geräusche der Station wichen. Aber dazu gesellten sich andere. Im Traum wuchs das Himmelsgewölbe riesig groß. Es war rot und ganz mit lebendig funkelnden Marssternen übersät. Das Herz des Mannes füllte sich mit Glück. Da erschien ein unbekannter, unbegreiflicher Reiter im Kettenhemd und näherte sich ihm freundlich. Der schwarze Panzerzug drohte aus dem Traum zu verschwinden, statt seiner wuchs das im Schnee begrabene Dorf Malyje Tschugry auf. Er, der Mann, steht am Dorfeingang, und ihm entgegen kommt sein Landsmann und Nachbar.
    »Shilin?« fragte der Mann tonlos, nur mit dem Geist, und sogleich hämmerte die wachsame Stimme in seiner Brust drei Worte:
    »Posten … Wachhabender … erfrierst.«
    Mit übermenschlicher Anstrengung hob er das Gewehr auf, nahm es in den Arm, riß wankend die Füße vom Boden los und ging weiter.
    Hin – zurück. Hin – zurück. Das Himmelsgewölbe seines Traumes verschwand, über die ganze kalte Welt spannte sich dunkelblaue Seide, durchbohrt von dem todbringenden schwarzen Rüssel des Geschützes. Am Himmel flimmerte die rötliche Venus, und im blauen Mond der Laterne funkelte antwortend auf der Brust des Mannes ein anderer Stern. Er war klein und hatte auch fünf Zacken.

    Die aufgescheuchte Schlaftrunkenheit warf sich hin und her. Sie flog den Dnepr entlang, an den toten Anlegestellen vorbei, und fiel auf Podol

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