Die weiße Garde
durchsichtig wie ein Bächlein im Stadtwald.
»Merkwürdig, merkwürdig«, sagt Turbin. »Ich dachte, das Paradies sei … ein menschliches Phantasiegebilde. Und diese seltsame Uniform. Erlauben Sie mir die Frage, Herr Oberst, bleiben Sie im Paradies im Offiziersrang?«
»Der Herr sind jetzt in der Brigade der Kreuzritter, Herr Doktor«, antwortet Wachtmeister Shilin, der ganz bestimmt im Jahre 1916 zusammen mit der Schwadron Belgoroder Husaren an der Front bei Wilna gefallen ist.
Wie ein riesiger Recke steht der Wachtmeister da, und sein Kettenpanzer strahlt Licht aus. Seine groben Züge, an die sich Doktor Turbin, der Shilin damals die tödliche Wunde verbunden hat, gut erinnern kann, sind jetzt nicht zu erkennen; die Augen des Wachtmeisters sind wie die von Nai-Turs – rein, tief, von innen leuchtend.
Am meisten auf der Welt liebt Alexej Turbin mit seiner düsteren Seele Frauenaugen. Ach, was hat der liebe Gott für herrliches Spielzeug geschaffen mit diesen Frauenaugen! Aber die des Wachtmeisters sind unvergleichlich schöner!
»Wie ist das möglich?« fragt Doktor Turbin neugierig und höchst erfreut. »Wie konntet ihr hinein ins Paradies mit Stiefeln und Sporen? Ihr habt doch Pferde und den Troß und Lanzen?«
»Glauben Sie mir, Herr Doktor«, sagt Wachtmeister Shilin im Cellobaß und sieht ihm mit seinem blauen Blick, von dem einem warm ums Herz wird, direkt in die Augen. »Wir sind mit der ganzen Schwadron in Reih und Glied hierhergekommen. Sogar mit der Ziehharmonika. Es war natürlich etwas peinlich. Sie wissen es selbst, dort herrscht Sauberkeit, Fußböden wie in der Kirche.«
»So?« wundert sich Turbin.
»Und da kam gleich der Apostel Petrus. Ein alter Zivilist, aber gewichtig und liebenswürdig. Ich melde natürlich: So und so, die zweite Schwadron der Belgoroder Husaren hat wohlbehalten das Paradies erreicht, wo befehlen Sie, Quartier zu nehmen? Ich mach zwar die Meldung«, der Wachtmeister hüstelt zurückhaltend in die Faust, »aber ich dachte mir, was wird, dachte ich, wenn der Apostel Petrus einfach sagt, wir sollen uns alle zu des Teufels Großmutter scheren? Denn Sie wissen ja selbst, wir hatten Pferde mit, und …« (Der Wachtmeister kratzt sich verlegen im Nacken). »Unter uns gesagt, es hatten sich uns ein paar Weiber angeschlossen. Ich sag das dem Apostel und zwinker meinem Zug zu – schmeißt die Weiber vorläufig raus, später sehen wir weiter. Sollen sie bis zur Klärung der Lage hinter den Wolken sitzen. Aber der Apostel Petrus war in Ordnung, obwohl er bloß Zivilist ist. Er peilt mit den Augen, und schon ist mir klar, daß er die Weiber auf den Wagen erspäht hat. Kein Wunder, ihre Kopftücher sind hell, man sieht sie eine Werst weit. Scheibenhonig, dachte ich. Die ganze Schwadron fällt rein.
›Ach‹, sagt er, ›ihr habt Weiber mit?‹, und schüttelt den Kopf.
›Jawohl‹, sag ich, ›aber‹, sag ich, ›macht nichts, wir schmeißen sie achtkantig raus, Herr Apostel.‹
›O nein‹, sagt er. ›Ihre Handgreiflichkeiten lassen Sie lieber!‹ Na? Wie finden Sie das? Ein gutmütiger alter Herr. Sie wissen selbst, Herr Doktor, eine Schwadron auf dem Marsch kommt ohne Weiber nicht aus.«
Und der Wachtmeister zwinkert pfiffig.
»Das stimmt«, muß Alexej gesenkten Blicks zugeben. Irgendwelche Augen, ganz schwarz, und Leberflecke auf blasser rechter Wange blinken undeutlich in der schläfrigen Dunkelheit. Er räuspert sich verlegen, und der Wachtmeister fährt fort:
»›Na‹, sagt er, ›ich geh Sie anmelden.‹ Er geht, kommt zurück und sagt: ›Gut, wir werden euch unterbringen. ‹ Wir haben uns so gefreut, daß ich es gar nicht ausdrücken kann. Doch eine kleine Verzögerung tritt ein. ›Wir müssen warten‹, sagt der Apostel Petrus. Doch schon nach einer Minute seh ich ihn geritten kommen«, der Wachtmeister zeigt auf den schweigenden stolzen Nai-Turs, der aus dem Traum spurlos in der Dunkelheit verschwindet. »Der Herr Schwadronskommandeur kommt auf seinem Dieb von Tuschino angetrabt. Hinter ihm, etwas später, ein unbekannter Junker zu Fuß.« Der Wachtmeister schielt zu Turbin hin und senkt einen Moment die Augen, als wolle er dem Arzt etwas verheimlichen, aber nicht etwas Trauriges, sondern ein freudiges, schönes Geheimnis; dann faßt er sich und fährt fort: »Petrus beschirmt die Augen mit der Hand und sagt: ›Na‹, sagt er, ›jetzt seid ihr alle da!‹ Und gleich reißt er die Tür sperrangelweit auf. ›Bitte schön‹, sagt er, ›zu dreien von
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