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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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der rechten Flanke her.‹«
    Dunja, unser Blümelein,
trägt ein buntes Tüchelein …
    erschallt plötzlich wie im Traum ein Chor eiserner Stimmen, und eine italienische Ziehharmonika spielt.
    »Im Schritt!« rufen die Zugführer in verschiedenen Stimmlagen.
    Dunja, Dunja, Dunjalein,
liebe mich, mein Blümelein …
    Der Chor verhallt in der Ferne.
    »Mit Weibern? So seid ihr einfach reingestiefelt?« Turbin ist verblüfft.
    Der Wachtmeister lacht und fuchtelt freudig erregt mit den Armen.
    »Oh, mein Gott, Herr Doktor, dort ist ja soviel Platz – unübersehbar. Und eine Sauberkeit! Man hätte noch fünf Korps mit Reserveschwadronen unterbringen können, was sag ich, zehn! Neben uns sind Gemächer – ach, du meine Güte! Die Decken so hoch, daß man sie gar nicht sieht! Ich sag: ›Darf ich fragen, für wen sind die?‹ Denn sie waren originell: rote Sterne, rote Wolken. ›Das ist für die Bolschewiken‹, sagt der Apostel Petrus, ›für die von Perekop.‹«
    »Perekop?« fragt Turbin und strengt vergebens seinen armen irdischen Geist an.
    »Dort, Euer Hochwohlgeboren, ist alles im voraus bekannt. Im Jahre zwanzig, als die Bolschewiken den Perekop bezwangen, sind ihrer unzählige gefallen. Zu deren Empfang waren die Räume hergerichtet.«
    »Für die Bolschewiken?« Turbins Seele war bestürzt. »Sie verwechseln etwas, Shilin, das kann nicht sein. Die werden dort nicht eingelassen.«
    »Herr Doktor, das dachte ich auch. Ich auch. Verwirrt fragte ich den Herrgott …«
    »Den Herrgott? Aber Shilin!«
    »Sie brauchen nicht zu zweifeln, Herr Doktor, es stimmt, wozu sollte ich lügen, ich habe mehrmals mit ihm gesprochen.«
    »Wie sieht er denn aus?«
    Shilins Augen strahlen, der Stolz verfeinert seine Gesichtszüge.
    »Und wenn Sie mich totschlagen, ich kann ihn nicht beschreiben. Sein Gesicht leuchtet, aber wie es aussieht – das begreift man nicht. Manchmal hab ich ihn angesehen, und es ist mir kalt über den Rücken gerieselt. Es war, als ob er mir selber glich. Ein Schreck fährt mir in die Glieder: Was bedeutet das? denk ich. Dann aber beruhigt man sich. Mannigfaltig ist sein Gesicht. Wenn er spricht, erfaßt einen solche Freude! Und dann geht von ihm ein blaues Licht aus. Hm … nein, kein blaues.« (Der Wachtmeister überlegt.) »Ich weiß nicht. Es breitet sich über tausend Werst aus und leuchtet durch einen hindurch. Nun also, ich sprach weiter: ›Wie ist denn das, o Gott, deine Popen erzählen doch, die Bolschewiken kommen in die Hölle? Wie soll man das verstehen, sie glauben nicht an dich, und du richtest ihnen solche Kasernen ein?‹
    ›Glauben sie wirklich nicht?‹ hat er mich gefragt.
    ›Bei Gott – nein!‹ Diese Antwort hab ich ihm gegeben, dann bekam ich Angst, kein Wunder, wenn man so zum Herrgott redet! Doch er lächelt nur. Weshalb erzähl ich ihm das, ich Dummkopf, dachte ich, wenn er alles besser weiß als ich? Ich war aber neugierig, was er sagen wird. Und er sagte:
    ›Wenn sie nicht an mich glauben, kann man nichts machen. Laß sie. Mir ist davon weder heiß noch kalt. Dir auch nicht. Und ihnen auch nicht. Ich habe von eurem Glauben weder Gewinn noch Verlust. Der eine glaubt, der andere nicht, ihre Handlungen aber sind gleich: Bei jeder Gelegenheit gehen sie sich an die Gurgel. Was aber die Kasernen anbetrifft, Shilin, so mußt du’s folgendermaßen verstehen: Für mich seid ihr alle gleich – im Kampf Gefallene. Das muß man kapieren, Shilin, und nicht jeder kapiert es. Im übrigen, Shilin, reg dich über solche Fragen nicht auf. Leb ohne Sorgen, geh spazieren!‹
    Hat er’s nicht wunderbar erklärt, Herr Doktor? ›Die Popen aber … ‹, sag ich. Er winkt nur ab. ›Erinnere mich nicht an die Popen, Shilin. Wenn ich bloß wüßte, was ich mit ihnen machen soll. Solche Dummköpfe wie eure Popen gibt es nicht noch mal auf der Welt. Unter uns, Shilin, die Popen sind eine Schande!‹
    ›Schmeiß sie doch allesamt raus, Herrgott! Wozu ernährst du die Schmarotzer?‹
    ›Sie tun mir leid, Shilin, das ist es‹, sagt er.«
    Das Leuchten um Shilin wird bläulich, und das Herz des Schlafenden füllt sich mit unerklärlicher Freude. Er streckt die Arme nach dem leuchtenden Wachtmeister aus, stöhnt im Traum.
    »Shilin, Shilin, kann ich nicht als Arzt zu eurer Brigade kommen?«
    Shilin winkt freundlich und nickt bejahend. Dann entfernt er sich und verläßt Alexej Turbin. Dieser erwachte und sah statt Shilin das immer heller werdende Fensterquadrat vor sich. Der Arzt wischte mit der

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