Die weiße Garde
das Wladimir-Kreuz um Mitternacht.
Singend marschieren sie,
die Junker der Gardeschule,
mit Pauken und Trompeten
und schallenden Becken …
Kochgeschirre klappern, ein Pfiff schwingt sich wie eine Stahlfeder in die Höhe, mit Ladestöcken werden Menschen zu Tode geprügelt, auf hitzigen Pferden jagt die schwarzbemützte Reiterei dahin.
Ein prophetischer Traum rollt donnernd gegen Alexej Turbins Bett. Turbin – blaß, mit schweißfeuchter Haarsträhne – schläft, die rosa Lampe brennt. Das ganze Haus schläft. Aus dem Bücherzimmer kommt das Schnarchen Karausches, aus Nikolkas Zimmer das Pfeifen Scherwinskis. Es ist trüb … es ist Nacht. Auf dem Fußboden vor Alexejs Bett liegt der nicht zu Ende gelesene Dostojewski, und »Die Dämonen« höhnen mit verzweifelten Worten. Ganz still schläft Jelena.
»Ich will Ihnen etwas sagen: Es gibt ihn gar nicht. Es gibt ihn gar nicht, diesen Simon. Es gibt auch nicht den Türken, die Gitarre unter der schmiedeeisernen Laterne in der Bronnaja und den Semstwobund. Das war nur eine Mythe, geboren in der Ukraine im Nebel des schrecklichen Jahres achtzehn.«
Es gab etwas anderes – wilden Haß. Es gab vierhunderttausend Deutsche und um sie herum viermal vierzigmal vierhunderttausend Bauern, in deren Herzen grenzenlose Wut brannte. Oh, viel, sehr viel hatte sich in diesen Herzen angesammelt: Stockschläge ins Gesicht, Schrapnellfeuer gegen unbeugsame Dörfer, von hetmanschen Serdjuksoldaten mit Ladestöcken zerfleischte Rücken und auch Bescheinigungen auf Papierfetzen, geschrieben von der Hand der Majore und Leutnants der deutschen Armee:
»Das russische Schwein erhält für das bei ihm gekaufte Schwein 25 Mark.«
Und das gutmütige, geringschätzige Lachen über die, die mit solchen Bescheinigungen zum Stab der Deutschen in die STADT kamen.
Und die requirierten Pferde, das beschlagnahmte Getreide und die Gutsbesitzer mit ihren dicken Gesichtern, die unter dem Hetman auf ihre Güter zurückgekehrt waren, und das haßerfüllte Zittern bei dem Wort »Offizierspack«.
Das alles gab es.
Außerdem gab es Gerüchte über eine Bodenreform, die der Herr Hetman durchführen wolle,
o weh, o weh! Erst im November des Jahres achtzehn, als
vor der STADT die Kanonen losdonnerten, begriffen die
Klugen, unter ihnen auch Wassilissa, daß die Bauern diesen Herrn Hetman wie einen tollwütigen Hund haßten, und sie merkten, es gab bei den Bauern Überlegungen, daß diese blöde herrschaftliche Reform überflüssig sei und daß eine Bauernreform für alle Zeiten her müsse:
»Das ganze Land den Bauern!«
»Jedem hundert Deßjatinen.«
»Die Gutsbesitzer sollen verschwinden.«
»Für seine hundert Deßjatinen soll der Bauer eine sichere Urkunde auf Wappenpapier mit Siegel bekommen, die seinen Besitz auf ewige Zeiten mit Erbrecht – vom Großvater auf den Vater, vom Vater auf den Sohn, auf den Enkel und so weiter – bestätigt.«
»Kein Pack darf aus der STADT kommen, um Getreide zu fordern. Das Getreide gehört dem Bauern, wir werden es niemandem geben; was wir nicht aufessen, buddeln wir in die Erde ein.«
»Die STADT soll uns Petroleum liefern.«
»Nun, eine solche Reform konnte der vergötterte Hetman nicht durchführen. Kein Teufel kann sie durchführen.«
Es kamen schwermütige Gerüchte auf, wonach nur die Bolschewiken mit der hetmanschen und der deutschen Plage fertig würden, aber die Bolschewiken hätten ihre eigene Plage:
»Die Jidden und die Kommissare.«
»Ein schweres Los haben die ukrainischen Bauern! Es gibt für sie keine Rettung!«
Es gab auch Zehntausende Menschen, die aus dem Krieg zurückgekehrt waren und schießen konnten …
»Ausgebildet wurden sie von den Offizieren auf Befehl der Vorgesetzten!«
Es gab Hunderttausende Gewehre, die in der Erde vergraben, in Scheunen und Speichern versteckt und nicht abgeliefert wurden, ungeachtet der eiligen deutschen Militärgerichte, der Prügelstrafen mit Ladestöcken und des Schrapnellfeuers; Millionen Patronen in der gleichen Erde, in jedem fünften Dorf Kanonen, in jedem zweiten Maschinengewehre, in jedem Städtchen Munitionslager, Zeughäuser mit Militärmänteln und Papachas.
Und in diesen Städtchen lebten Volksschullehrer, Feldschere, Einhöfer, ukrainische Seminaristen, die das Schicksal in Fähnriche verwandelt hatte, hünenhafte Imkersöhne, Stabskapitäne mit ukrainischen Namen, alle sprachen Ukrainisch, alle liebten die Ukraine, die zauberhafte, so wie sie sie sich in ihrer Phantasie ausmalten
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