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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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beidseitigen Fensterreihen. Hier verstummte das Lied, und die Division stellte sich mit flimmernden Bajonetten in dichten Reihen auf. Düsteres fades Licht herrschte im Saal, wie tote blasse Flecke hingen zwischen den Fenstern die riesigen Porträts der letzten Zaren.
    Studzinski trat einen Schritt zurück und sah auf seine Armbanduhr. In diesem Moment kam ein Junker gelaufen und flüsterte ihm etwas zu.
    »Der Divisionskommandeur«, hörten die in der Nähe Stehenden.
    Studzinski gab den Offizieren ein Zeichen. Sie liefen zwischen den Reihen entlang und richteten sie aus. Studzinski ging in den Korridor, dem Kommandeur entgegen.
    Sporenklirrend kam Oberst Malyschew, zu Alexander hinschielend und sich zu ihm umdrehend, die Treppe herauf und auf den Saaleingang zu. Ein kaukasischer Krummsäbel mit kirschrotem Portepee baumelte an seiner linken Hüfte. Er trug eine Mütze aus schwarzem Samt und einen langen Mantel mit riesigem Rückenschlitz. Sein Gesicht war besorgt. Studzinski ging rasch auf ihn zu und blieb salutierend stehen.
    Malyschew fragte ihn:
    »Eingekleidet?«
    »Jawohl. Alle Befehle ausgeführt.«
    »Wie steht’s?«
    »Sie werden kämpfen. Aber vollkommen unerfahren. Auf hundertzwanzig Junker kommen achtzig Studenten, die kein Gewehr halten können.«
    Ein Schatten legte sich auf Malyschews Gesicht. Er schwieg.
    »Ein großes Glück, daß wir gute Offiziere haben«, fuhr Studzinski fort, »besonders dieser Neue, Myschlajewski. Irgendwie werden wir’s schon schaffen.«
    »Soso. Also hören Sie zu: Nach meiner Besichtigung schicken Sie die ganze Division nach Hause mit Ausnahme der Offiziere und sechzig der besten und erfahrensten Junker, die Sie zur Bewachung der Kanonen, des Zeughauses und des Gebäudes dabehalten. Morgen früh um sieben versammelt sich die ganze Division wieder hier.«
    Studzinski war so verblüfft, daß er sehr ungehörig den Oberst anglotzte und den Mund aufriß.
    »Herr Oberst« – Studzinski war sehr aufgeregt –, »erlauben Sie mir eine Bemerkung: Das geht nicht. Die einzige Möglichkeit, die Schlagkraft der Division zu erhalten, ist, sie heute hier übernachten zu lassen.«
    Der Oberst zeigte auf der Stelle und sehr schnell eine neue Eigenschaft – er konnte prächtig in Wut geraten. Hals und Wangen färbten sich dunkelrot, die Augen blitzten.
    »Hauptmann«, sagte er mit unangenehmer Stimme. »Künftig bekommen Sie keinen Adjutantensold mehr, sondern das Gehalt eines Lektors, der den Divisionskommandeuren Lektionen hält, und das ist mir sehr fatal, denn ich hoffte, in Ihnen einen erfahrenen Offizier und nicht einen Universitätsprofessor zu haben. Also: ich brauche keine Lektionen. Ich empfehle Ihnen, mir keine Ratschläge zu erteilen! Hören und merken. Merken und gehorchen!«
    Sie standen einander wie Kampfhähne gegenüber.
    Kupferne Röte breitete sich über Studzinskis Hals und Wangen aus, seine Lippen zuckten.
    »Zu Befehl, Herr Oberst«, sagte er mit knarrender Stimme.
    »Ja, gehorchen. Alle nach Hause schicken, mit dem Befehl, sich auszuschlafen, keine Waffe mitzunehmen und morgen früh um sieben hier zu erscheinen. Nach Hause schicken, in kleinen Grüppchen und nicht in Zugformationen und ohne Schulterklappen, um die Aufmerksamkeit der Gaffer nicht mit soviel Pracht auf sich zu ziehen.«
    In Studzinskis Augen blitzte Verständnis auf, die Kränkung erlosch.
    »Zu Befehl, Herr Oberst.«
    Der Herr Oberst änderte sogleich den Ton.
    »Alexander Bronislawowitsch, ich kenne Sie nicht erst seit heute als erfahrenen, tüchtigen Offizier. Aber Sie müssen mich doch auch kennen. Sie haben mir also nichts übelgenommen? Übelnehmen ist in solcher Zeit nicht angebracht. Ich habe es in unangenehmem Ton gesagt, vergessen Sie es, denn Sie haben ja auch …«
    Studzinski wurde über und über rot.
    »Jawohl, Herr Oberst, es ist meine Schuld.«
    »Na, dann ist ja alles in Ordnung. Wollen keine Zeit verlieren, damit die Stimmung nicht sinkt. Kurzum, alles auf morgen verschieben. Morgen werden wir klarer sehen. Dennoch sage ich Ihnen schon jetzt: Mit den Geschützen brauchen Sie sich nicht zu beschäftigen, denn wir bekommen weder Pferde noch Munition. Deshalb ab morgen früh nur Gewehrschießen und nochmals Gewehrschießen. Machen Sie es so, daß die Division bis morgen mittag wie ein preisgekröntes Regiment schießt. Und allen erfahrenen Junkern geben Sie Handgranaten. Verstanden?«
    Dunkle Schatten legten sich auf Studzinskis Gesicht. Er hörte gespannt zu.
    »Herr Oberst, darf ich

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