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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Wichtigste – niemand wußte und niemand interessierte sich, wo das alles geblieben war. Wer lernt jetzt in diesem Schiff? Und wenn niemand – weshalb nicht? Wo sind die Wächter? Warum stehen die schrecklichen stumpfschnauzigen Mörser unter der Kastanienreihe am Gitter, das den inneren Vorgarten am Haupteingang umzäunt? Weshalb ist das Gymnasium ein Zeughaus? Wessen? Warum?
    Niemand wußte das, wie auch niemand wußte, wo Madame Anjou geblieben war und warum in ihrem Geschäft neben den leeren Hutschachteln Handgranaten lagen.

    »Mörser – los!« schrie eine Stimme. Die Mörser setzten sich in Bewegung. An die zweihundert Mann liefen nebenher, duckten sich und sprangen neben den riesigen eisenbeschlagenen Rädern wieder hoch. Es flimmerte von gelben Halbpelzen, grauen Mänteln und Papachas, von khakifarbenen Militär- und blauen Studentenmützen.
    Als Turbin den riesigen Hof überquerte, stellten sich die vier Mörser in eine Reihe, den Rachen auf ihn gerichtet. Die hastige Ausbildung an den Mörsern war beendet, die bunte Rekrutenformation der Division trat in zwei Reihen an.
    »Herr Hauptmann«, sang Myschlajewskis Stimme, »der Zug ist bereit.«
    Studzinski erschien vor der Formation, trat einen Schritt rückwärts und schrie:
    »Links schwenkt – marsch!«
    Krachend setzte sich die Formation, uneinheitlich durch den Schnee stapfend, in Bewegung.
    An Turbin vorbei zogen bekannte und typische Studentengesichter. An der Spitze des dritten Zuges marschierte Karausche. Ohne zu wissen, wohin und weshalb, ging Turbin neben dem Zug her.
    Karausche trat aus der Reihe, ging rückwärts und zählte besorgt:
    »Links. Links. Eins. Eins.«
    Wie eine Schlange verschwand die Formation im schwarzen Rachen des Kellereinganges, der eine Reihe nach der anderen verschluckte.
    Innen wirkte das Gymnasium noch lebloser und düsterer als außen. Das Echo des Militärschritts weckte rasch die steinerne Stille und das unsichere Halbdunkel des verlassenen Gebäudes. Längs der Gewölbe flogen seltsame Laute, als wären die Dämonen erwacht. Durch die schweren Schritte hörte man Rascheln und Piepsen – die aufgestörten Ratten flüchteten in dunkle Winkel. Die Formation ging durch die endlosen backsteingepflasterten, schwarzen Kellerflure und kam in einen riesigen Saal, wo durch schmale Gitterfenster und tote Spinngewebe spärliches Licht hereindrang.
    Ein höllisches Poltern brach die Stille. Hölzerne, eisenbeschlagene Munitionskisten wurden geöffnet, endlose Gurte und tortenrunde Magazine für Lewis-Maschinengewehre herausgeholt. Schwarze und graue, bösen Mücken ähnliche Maschinengewehre kamen zum Vorschein. Muttern klapperten, Zangen zerrten, in einer Ecke kreischte eine Säge. Die Junker holten Berge zusammengepreßter kalter Papachas, Mäntel mit metallharten Falten, steife Koppel, Patronentaschen und filzbezogene Feldflaschen hervor.
    »Schnel-ler!« rief Studzinski.
    Sechs Offiziere mit goldblinkenden Achselklappen schlängelten sich hindurch wie Seetang im Wasser. Myschlajewskis genesener Tenor sang etwas.
    »Herr Doktor!« rief Studzinski aus der Dunkelheit. »Übernehmen Sie bitte den Sanitätstrupp und geben Sie ihm Instruktionen.«
    Vor Turbin tauchten zwei Studenten auf. Einer von ihnen, klein und aufgeregt, trug ein rotes Kreuz auf dem Ärmel des Studentenmantels. Der andere hatte einen grauen Mantel an, und die Papacha rutschte ihm über die Augen, so daß er sie dauernd zurechtrückte.
    »Dort sind Kisten mit Medikamenten«, sagte Turbin. »Holen Sie sich dort Schultertaschen und für mich eine Arzttasche mit entsprechendem Satz. Geben Sie jedem Artilleristen zwei Verbandpäckchen und erklären Sie kurz, wie man sie im Notfall öffnet.«
    Aus der grauwimmelnden Versammlung tauchte Myschlajewskis Kopf. Er war auf eine Kiste gestiegen, schwenkte das Gewehr, knackte mit dem Schloß, setzte krachend einen Ladestreifen ein, zielte und warf aus, zielte und warf aus, und die Patronen regneten auf die Junker herab. Danach begann es im Keller wie in einer Fabrik zu krachen. Klirrend und krachend luden die Junker ihre Gewehre.
    »Wer’s noch nicht kann: Vorsicht«, sang Myschlajewskis Stimme, »Junker, weisen Sie die Studenten ein!«
    Riemen mit Patronentaschen und Feldflaschen wurden über die Köpfe gereicht.
    Ein Wunder geschah. Die buntscheckige Menschenmenge verwandelte sich in eine kompakte Masse, über der die harten Borsten der Bajonette flirrten.
    »Bitte die Herren Offiziere zu mir«, erklang irgendwo

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