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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Leidenschaft für Blumen erfaßt ist. Das liegt wahrscheinlich an der Unvollkommenheit unserer Gesellschaftsordnung, bei der die Menschen häufig erst gegen Ende ihres Lebens auf den richtigen Platz gelangen. Kosyr war mit fünfundvierzig Jahren auf den richtigen Platz gelangt. Bis dahin war er ein schlechter Lehrer gewesen – streng und langweilig.
    »Sagen Sie den Jungs, sie sollen aus den Katen kommen und aufsitzen«, sagte Kosyr und zog den knirschenden Riemen auf dem Bauch zurecht.
    Aus den Schornsteinen der weißen Katen im Dorf Popeljucha stieg Rauch auf, die Formation des Obersts Kosyr, vierhundert Säbel stark, rückte ab. Über der Formation wölkte in Schwaden Machorkarauch, und der fünf Werschok hohe braune Hengst unter Kosyr tänzelte nervös. Die Schlitten des Trosses, eine halbe Werst lang, zogen knarrend hinter dem Regiment her. Das Regiment schaukelte in den Sätteln, und gleich hinter Popeljucha wurde an der Spitze der Kolonne die gelbblaue Fahne entrollt.
    Tee konnte Kosyr ebenfalls nicht ausstehen, er zog morgens allem in der Welt einen Schluck Wodka vor. Besonders liebte er den Zarenwodka. Vier Jahre hatte es keinen gegeben, aber jetzt, unter der Regierung des Hetmans, war er in der ganzen Ukraine zu haben. Der Wodka rann wie lustiges Feuer aus der grauen Feldflasche in Kosyrs Adern. Er rann auch durch die Reihen der Berittenen aus Feldflaschen, die in den Magazinen von Belaja Zerkow gefaßt worden waren, und gleich darauf spielte an der Spitze der Kolonne eine Ziehharmonika, und eine Falsettstimme sang:
    »Hei, hinterm Hain,
hinterm grünen Haine …«
    In der fünften Reihe dröhnten die Bässe:
    »… pflügte ein Mädchen,
mit einem schwarzen Ochsen.
Sie pflügte, pflügte,
kam nicht zu Rande,
bat ein Kosaklein,
Geige zu spielen …«
    Wie eine lustige Nachtigall pfiff und schnalzte der Reiter mit der Fahne. Die Lanzen schwankten, die sargschwarzen Mützen hüpften, ihre Posamenten und Troddeln erinnerten an Sargschmuck. Der Schnee knirschte unter tausend beschlagenen Hufen. Lustig dröhnte die Trommel.
    »So ist’s recht! Keine Wehmut, Jungs!« sagte Kosyr beifällig. Die Pfiffe schrauben sich über den verschneiten ukrainischen Feldern hoch.
    Als sie Bely Gai passierten, lichtete sich der Nebel, und auf allen Straßen waren bewegliche schwarze Punkte zu sehen, war das Knirschen des Schnees zu hören. Hinter Bely Gai ließen sie auf einer Kreuzung eineinhalbtausend Mann Infanterie vorbei. Die vorderen Reihen trugen blaue Überröcke aus gutem deutschem Tuch von einheitlichem Schnitt, ihre Gesichter waren feiner, beweglicher, die Gewehre hielten sie geschickt – das waren Galizier. Die hinteren Reihen trugen lange Krankenhauskittel bis zu den Fersen und waren mit weißgegerbten Riemen umgürtet. Auf allen Köpfen schwankten deutsche breitrandige Helme, über die Papachas gestülpt. Die beschlagenen Schuhe walkten den Schnee.
    Von dieser Kraft färbten sich die weißen Wege zur STADT schwarz.
    »Hurra!« rief die vorbeiziehende Infanterie der gelbblauen Fahne zu.
    »Hurra!« hallten in Bely Gai die Haine wider.
    Dem Hurra antworteten Geschütze hinten und links. Der Kommandeur des Belagerungskorps, Oberst Toropez, hatte schon nachts zwei Batterien zum Stadtwald geschickt. Die sechszölligen Geschütze wurden im Halbkreis im Schneemeer aufgestellt und eröffneten im Morgengrauen das Feuer. Ihre Donnerwellen weckten die Mastenkiefern. Auf die riesige Siedlung Pustscha-Wodiza wurden zwei Salven abgegeben, die in vier Straßen die Fensterscheiben der tief im Schnee versackten Häuser herausfliegen ließen. Einige Kiefern zersplitterten, riesengroße Schneefontänen sprangen auf. Dann wurde es in Pustscha ruhig. Der Wald stand wieder wie im Halbschlaf, nur die aufgestörten Eichhörnchen huschten raschelnd die hundertjährigen Kiefern hoch. Die beiden Batterien wechselten von Pustscha zur rechten Flanke, durchquerten die endlosen Äcker, die reichen Forstungen, bogen in einen schmalen Weg ein, erreichten eine Gabelung und entfalteten sich in Sichtweite der STADT. Vom frühen Morgen an platzten in Podgorodnaja, Sawskaja und in der Vorstadt Kurenjowka Schrapnells.
    Unter dem niedrigen, schneereichen Himmel rasselten Schellen, als ob jemand spielte. Dort saßen die Bewohner der Häuschen schon seit dem frühen Morgen in den Kellern, und in der Morgendämmerung war zu sehen, wie die durchfrorenen Junkerketten sich in Richtung Stadtzentrum zurückzogen. Im übrigen stellten die Geschütze bald

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