Die weiße Garde
beauftragte ihn Generalmajor Blochin, bis zum dreizehnten Dezember die zweite Unterabteilung des Bataillons aufzustellen. Die Aufstellung war erstaunlicherweise schon am Zehnten beendet. Am Zehnten meldete Oberst Nai-Turs, der sehr wortkarg war, dem von allen Seiten mit Stabsgepiepse gepeinigten Generalmajor Blochin kurz, er, Nai-Turs, könne mit seinen Junkern schon ausziehen, aber unter der Bedingung, daß er für die ganze Truppe von hundertfünfzig Mann Papachas und Filzstiefel bekäme, ohne die er, Nai-Turs, den Krieg für unmöglich halte. Generalmajor Blochin hörte den schnarrenden und lakonischen Oberst an und schrieb ihm bereitwillig eine Order für das Zeughaus, machte ihn aber darauf aufmerksam, daß er die Sachen kaum vor einer Woche bekommen könne, denn in den Zeughäusern und Stäben herrschten unvorstellbare Anarchie, Durcheinander und Unordnung. Der schnarrende Nai-Turs nahm das Papier, zuckte nach seiner Gewohnheit mit der linken Hälfte des gestutzten Schnurrbarts, und ohne den Kopf nach links oder rechts zu drehen (er konnte ihn nicht bewegen, da er seit seiner Verwundung einen steifen Hals hatte und, wenn er zur Seite sehen wollte, den ganzen Körper drehen mußte), verließ er das Zimmer des Generalmajors Blochin. Aus der Unterkunft des Bataillons in der Lwowskaja-Straße nahm Nai-Turs zehn Junker (komischerweise mit Gewehren) und zwei zweirädrige Karren mit und begab sich mit ihnen ins Zeughaus.
Im Zeughaus, einer herrlichen Villa in der Boulevard-Kudrjawskaja-Straße, saß in einem gemütlichen Arbeitszimmer, wo eine Karte Rußlands und ein aus den Zeiten des Roten Kreuzes übriggebliebenes Porträt der Alexandra Fjodorowna hingen, der kleine General Makuschin mit rotfleckigem Gesicht. Er trug eine graue Uniformjacke, unter deren Kragen saubere Wäsche hervorsah, was ihn Miljutin, Minister Alexanders II., sehr ähnlich machte.
Der General riß sich vom Telefon los und fragte Nai-Turs mit einer kindlichen Stimme, die an das Getriller einer irdenen Pfeife erinnerte:
»Was wünschen Sie, Oberst?« »Wir rücken jetzt aus«, antwortete Nai lakonisch. »Ich bitte dringlichst, mir Filzstiefel und Papachas für zweihundert Mann auszugeben.«
»Hm«, sagte der General, bewegte die Lippen, als ob er kaute, und knüllte Nai-Turs’ Order in der Hand. »Wissen Sie, Oberst, heute kann ich nichts ausgeben. Wir stellen heute erst den Plan für die Belieferung der Truppen auf. In drei Tagen können Sie schicken. Aber eine solche Menge habe ich gar nicht.«
Er legte Nai-Turs’ Papier auf einen sichtbaren Platz unter einen Briefbeschwerer, der eine nackte Frau darstellte.
»Filzstiefel«, antwortete Nai-Turs monoton und schielte über seine Nase hinunter zu den Spitzen seiner Stiefel.
»Wie bitte?« Der General hatte nicht verstanden und starrte den Oberst verwundert an.
»Geben Sie die Filzstiefel sofort.«
»Was ist? Wie bitte?« Der General riß die Augen weit auf.
Nai-Turs drehte sich zur Tür um, öffnete sie und rief hinaus in den warmen Korridor:
»He, Zug, hierher!«
Das Gesicht des Generals bedeckte sich mit grauer Blässe, sein Blick wanderte von Nai-Turs’ Gesicht zum Telefon, von dort zur Ikone der Gottesmutter in der Ecke und dann zurück zu Nai-Turs’ Gesicht.
Im Korridor klirrte und trampelte es, und in der Tür erschienen die rotbepaspelten schirmlosen Mützen der Alexej-Junker; die schwarzen Bajonette blinkten. Der General erhob sich langsam aus dem weichen Sessel.
»So etwas höre ich zum erstenmal. Das ist Meuterei.«
»Unterschreiben Sie, Exzellenz«, sagte Nai. »Wir haben keine Zeit, in einer Stunde müssen wir ausrücken. Der Feind soll dicht vor der Stadt stehen.«
»Wie? Was?«
»Schnell, schnell«, sagte Nai mit Grabesstimme.
Der General zog den Kopf in die Schultern, holte das Papier unter der Frau hervor und kritzelte, tintespritzend, mit zitternder Hand in eine Ecke »Genehmigt«.
Nai-Turs nahm das Papier, schob es hinter den Ärmelaufschlag und befahl den Junkern, die auf dem Teppich schmutzige Fußspuren hinterließen:
»Ladet die Filzstiefel auf. Rasch!«
Die Junker gingen polternd und rasselnd hinaus. Nai-Turs blieb noch einen Augenblick stehen. Der General, dunkelrot im Gesicht, sagte zu ihm:
»Ich rufe sofort im Stab des Befehlshabers an und leite ein Militärgerichtsverfahren gegen Sie ein. Das ist ja …«
»Versuchen Sie’s«, antwortete Nai und schluckte Speichel. »Versuchen Sie’s nur, versuchen Sie’s spaßeshalber.« Er faßte den Griff,
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