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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Ruhe. Fahr weiter!«
    »Nein, fahr nicht«, sagte der Rote drohend, plinkerte mit den Augen und bemerkte erst jetzt Turbins Schulterklappen. »Ah, Doktor, na gut, fahren wir zusammen, ich steige ein.«
    »Wir haben nicht den gleichen Weg. Fahr los!«
    »Er … lauben Sie …«
    »Fahr los!«
    Der Kutscher zog den Kopf in die Schultern, wollte am Zügel ziehen, überlegte es sich aber anders; er drehte sich um und schielte böse und ängstlich zu dem Rotgesichtigen. Der ließ plötzlich von allein ab, denn er hatte eine leere Droschke entdeckt. Deren Kutscher wollte das Weite suchen, aber der Rotgesichtige hob mit beiden Händen das Gewehr und drohte ihm. Da blieb der Kutscher stehen, und der Betrunkene schleppte sich stolpernd und hinkend zu ihm hin.
    »Hätte ich das gewußt, wäre ich auch für fünfhundert nicht gefahren«, murmelte der Kutscher wütend und peitschte seinem Gaul die Kruppe. »Wenn er mir in den Rücken knallt, wie kann man ihn belangen?«
    Turbin schwieg finster.
    So ein Gesindel … Solche bringen die ganze Sache in Verruf, dachte er böse.
    An der Kreuzung beim Operntheater war hastiges Gewimmel. Mitten auf den Straßenbahnschienen stand ein Maschinengewehr, bewacht von einem durchfrorenen kleinen Kadetten in schwarzem Mantel und Ohrenschützern sowie von einem Junker in Grau. Passantengrüppchen klebten wie Fliegen am Gehsteig und sahen das Maschinengewehr neugierig an. Bei der Apotheke an der Ecke, wo das Museum schon zu sehen war, stieg Turbin aus.
    »Legen Sie zu, Euer Hochwohlgeboren«, sagte der Kutscher boshaft und nachdrücklich. »Hätte ich das gewußt, wäre ich nicht gefahren. Sie sehen, was los ist!«
    »Es reicht.«
    »Die Kinder haben sie auch in diese Sache reingezogen«, sagte eine Frauenstimme.
    Erst jetzt erblickte Turbin eine Gruppe Bewaffneter am Museum. Sie bewegte und verdichtete sich. Verschwommen tauchten auf dem Bürgersteig zwischen den Mantelschößen Maschinengewehre auf. Und plötzlich begann in Petschersk ein Maschinengewehr zu rattern.
    Da-da-da-da-da-da …
    Irgendeine Teufelei ist los, dachte Turbin zerstreut, beschleunigte den Schritt und ging über die Kreuzung zum Museum.
    Habe ich mich etwa verspätet? Wie peinlich. Man könnte denken, ich wolle mich drücken.
    Fähnriche, Junker, Kadetten, vereinzelte Soldaten wimmelten aufgeregt und geschäftig um den riesigen Eingang des Museums und am aufgebrochenen Seitentor, das zum Hof des Alexander-Gymnasiums führte. Die riesigen Scheiben der Tür klirrten ununterbrochen, die Tür stöhnte, und in das runde weiße Museumsgebäude, auf dessen Fronten mit goldenen Buchstaben die Inschrift
    »Zu Nutz und Bildung des russischen Volkes«
    stand, liefen bewaffnete, aufgeregte und bedrückte Junker.
    »O Gott!« rief Turbin unwillkürlich, »sie sind schon abgerückt.« Die Mörser sahen Turbin stumm an, sie standen einsam und verlassen da, wo sie gestern gestanden hatten.
    Ich verstehe nicht … Was soll das bedeuten?
    Ohne zu wissen warum, lief Turbin über den Hof zu den Geschützen. Sie vergrößerten sich, je näher er kam, und sahen ihn drohend an. Da war schon das erste. Turbin blieb wie angewurzelt stehen: Es war ohne Schloß. Schnell lief er über den Hof zurück und wieder auf die Straße. Hier herrschte noch größeres Durcheinander, viele Stimmen schrien auf einmal, Bajonette ragten zappelnd in die Höhe.
    »Wir müssen auf Kartusow warten! Jawohl!« rief eine laute aufgeregte Stimme. Ein Fähnrich querte Turbins Weg, auf dem Rücken einen gelben Sattel mit baumelnden Steigbügeln.
    »Der polnischen Legion übergeben.«
    »Wo ist sie denn?«
    »Weiß der Teufel!«
    »Alles ins Museum! Alles ins Museum!«
    »Zum Don!«
    Der Fähnrich blieb plötzlich stehen und warf den Sattel auf den Bürgersteig.
    »Zum Teufel! Soll doch alles zum Teufel gehen«, schrie er böse, »ach, dieses Stabsgesindel!«
    Er sprang zur Seite und drohte jemandem.
    Eine Katastrophe … jetzt verstehe ich … Das schlimmste ist aber, daß sie zu Fuß abgerückt sind. Ja, ja, ja. Zweifellos. Petljura ist sicherlich unerwartet gekommen. Pferde haben sie nicht, und nun gehen sie nur mit Gewehren los, ohne Kanonen. Ach, du lieber Gott. Ich muß zu Anjou laufen. Vielleicht erfahre ich dort etwas. Sogar sicher, irgend jemand muß ja dort geblieben sein.
    Turbin drängte sich aus dem brodelnden Durcheinander und hastete, auf nichts mehr achtend, zum Operntheater zurück. Ein trockener Windstoß lief über den Asphaltweg und zauste die Ecke eines

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