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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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sehr blassen Mann in schwarzer Zivilkleidung und eine Frau. Die Frau, die den Mann behutsam mit dem Arm stützte, brachte ihn zum Alexejewski-Hang. Hier war kein Verkehr. Nur vor dem Haus Nummer dreizehn stand eine Droschke, der gerade ein merkwürdiger Gast mit Koffer, Bündel und Vogelbauer entstiegen war.

14
    Sie fanden sich alle wieder ein. Keiner von ihnen war erschossen worden, sie kamen gleich am nächsten Abend.
    Das ist er, jauchzte es in Anjuta, und ihr Herz hüpfte wie Lariossiks Vogel. Er klopfte leise an das verschneite Hoffensterchen der Turbinschen Küche. Anjuta drückte die Nase an die Scheibe und sah sein Gesicht. Er war es, nur ohne Schnurrbart. Er … Mit beiden Händen glättete Anjuta ihr schwarzes Haar, öffnete die Tür zum Flur und die vom Flur zum verschneiten Hof, und plötzlich stand Myschlajewski dicht vor ihr. Ein Studentenmantel mit Schafpelzkragen und eine Mütze … der Schnurrbart war verschwunden. Die Augen waren aber auch im Halbdunkel des Flurs gut zu erkennen. Das rechte mit den grünen Fünkchen, wie ein Edelstein vom Ural, das linke dunkel. Etwas kleiner ist er geworden …
    Anjuta schob mit zitternder Hand den Riegel vor, worauf der Hof verschwand, auch die Lichtstreifen aus der Küche verschwanden, denn Myschlajewskis Mantel hatte Anjuta eingehüllt, und die wohlbekannte Stimme flüsterte:
    »Guten Tag, Anjuta, Sie werden sich erkälten. Ist niemand in der Küche, Anjuta?«
    »Nein, niemand«, antwortete Anjuta, ohne zu wissen, was sie sagte und warum sie flüsterte. Er küßt mich, seine Lippen sind so süß geworden, dachte sie sehnsüchtig und flüsterte: »Viktor Viktorowitsch, lassen Sie mich los, Jelena …«
    »Was hat Jelena damit zu tun?« flüsterte die nach Tabak und Eau de Cologne riechende Stimme vorwurfsvoll. »Was haben Sie, Anjuta?«
    »Viktor Viktorowitsch, lassen Sie mich los, ich schreie, bei Gott«, sagte Anjuta leidenschaftlich und fiel Myschlajewski um den Hals. »Uns hat ein Unglück getroffen – Alexej Wassiljewitsch ist verwundet.«
    Die Riesenschlange ließ sie sofort los.
    »Wieso verwundet? Und Nikolka?«
    »Nikolka ist gesund und munter, aber Alexej Wassiljewitsch ist verwundet.«
    Die Lichtstreifen aus der Küche, die Türen.
    Im Eßzimmer brach Jelena, als sie Myschlajewski erblickte, in Tränen aus und sagte:
    »Vitja, du lebst. Gott sei Dank. Und bei uns …« Sie schluchzte und zeigte auf die Tür. »Er hat vierzig Fieber, eine böse Wunde.«
    »Ach mein Gott«, sagte Myschlajewski und schob die Mütze in den Nacken. »Wie hat es ihn erwischt?«
    Er drehte sich zu der Gestalt um, die sich am Tisch über eine Flasche und blanke Schachteln beugte.
    »Erlauben Sie, sind Sie der Arzt?«
    »Leider nicht«, antwortete eine traurige und matte Stimme.
    »Ich bin kein Arzt. Darf ich mich vorstellen: Illarion Surshanski.«

    Das Wohnzimmer. Die Tür zur Diele ist verschlossen und die Portiere zugezogen, damit kein Lärm und keine Stimmen zu Turbin dringen. Aus seinem Schlafzimmer sind vor kurzem drei Männer herausgekommen und weggefahren: ein spitzbärtiger mit goldgefaßtem Kneifer, ein zweiter, glattrasiert und noch jung, und schließlich ein grauhaariger, kluger Greis in schwerem Pelz und mit einer Bojarenmütze, ein Professor, Turbins Lehrer. Jelena hat sie hinausbegleitet, und ihr Gesicht ist steinern geworden. Immerzu hat alles von Typhus gesprochen und ihn nun heraufbeschworen.
    »Außer der Wunde hat er Flecktyphus.«
    Die Quecksilbersäule steht auf vierzig und … »Julia« … Im Schlafzimmer rötliche Hitze. Stille, und in der Stille ein Murmeln von der Treppe und der Klingel: Klingeling … »Guten Tag, Herr Zivilist«, flüsterte Myschlajewski giftig und stellte sich breitbeinig hin. Scherwinski, puterrot, schielte mit einem Auge. Sein schwarzer Anzug saß tadellos, die Wäsche war erstklassig, am Hals trug er eine Fliege und an den Füßen Lackschuhe. In der Tasche steckte ein Ausweis: Schauspieler vom Kramskoi-Opernstudio. »Wo sind denn Ihre Achselklappen?« fuhr Myschlajewski fort. »›Auf der Wladimirstraße wehen russische Fahnen. Zwei Divisionen Senegalesen im Odessaer Hafen und serbische Quartiermacher … Fahren Sie in die Ukraine, meine Herren Offiziere, und stellen Sie Truppenteile auf …‹ In den Arsch hätte man euch treten sollen!«
    »Was willst du von mir?« antwortete Scherwinski. »Bin ich etwa an allem schuld? Was habe ich damit zu tun? Ich wäre selbst beinah erschossen worden. Ich habe den Stab als letzter genau

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