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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Turbin. Mit dem Hemd wurde sie schnell fertig. Der linke Ärmel war blutgetränkt, dunkelrot war auch die Seite. Da tropfte es auf den Fußboden.
    »Reißen Sie ab, mutiger.«
    Das Hemd wurde fetzenweise abgerissen. Turbin, weiß im Gesicht, bis zum Gurt nackt und gelb, mit Blut verschmiert, gewillt zu leben, zwang sich, kein zweites Mal umzufallen, rüttelte, die Zähne zusammenbeißend, mit der rechten Hand an der linken Schulter und sagte durch die Zähne:
    »Gott sei D … , der Knochen ist heil. Reißen Sie einen Streifen ab, oder geben Sie mir eine Binde.«
    »Ich habe eine Binde«, rief sie froh und schwach, verschwand, kehrte zurück und riß das Päckchen auf mit den Worten: »Und niemand, niemand da. Ich bin allein.«
    Sie hockte sich wieder hin. Turbin betrachtete die Wunde. Es war ein kleines Loch im Oberarm, mehr innen, da, wo der Arm am Körper anliegt. Aus ihm sickerte ein schmales Rinnsal Blut. »Hinten auch eins?« fragte er abgehackt, lakonisch, instinktiv die Kräfte schonend.
    »Ja«, antwortete sie erschrocken.
    »Binden Sie höher ab … hier … Sie retten mich.«
    Noch nie hatte er solchen Schmerz empfunden, grüne Kreise – ineinander oder verflochten – tanzten in der Diele. Er biß sich auf die Unterlippe.
    Sie zog fest, er half ihr mit den Zähnen und der rechten Hand, und so banden sie den Arm mit einem festen Knoten ab. Sofort hörte das Blut auf zu fließen.

    Die Frau führte ihn dann auf folgende Weise hinüber: Er kniete sich hin und legte ihr den rechten Arm um die Schulter, dann half sie ihm, sich auf die schwachen, zitternden Beine zu stellen, und führte ihn, wobei sie ihn mit dem ganzen Körper stützte. Er sah ringsum die Schatten der völligen Dämmerung in einem niedrigen, altertümlichen Zimmer. Nachdem sie ihn auf etwas Weiches und Verstaubtes gesetzt hatte, flammte unter ihrer Hand seitlich eine mit kirschrotem Tuch bedeckte Lampe auf. Er erkannte das Samtmuster, ein Stück eines zweireihigen Gehrocks im Rahmen an der Wand und eine goldgelbe Epaulette. Sie streckte ihm die Arme entgegen und sagte, vor Aufregung und Anstrengung keuchend:
    »Ich habe Kognak. Vielleicht brauchen Sie welchen? Kognak!«
    »Ja, rasch!« antwortete er.
    Und fiel auf den rechten Ellbogen.
    Der Kognak schien geholfen zu haben, auf jeden Fall hatte Turbin das Gefühl, daß er nicht sterben, daß er den schneidenden Schmerz in der Schulter aushalten würde. Vor ihm kniend, verband die Frau ihm den verwundeten Arm, rutschte dann tiefer und zog ihm die Filzstiefel aus. Dann brachte sie ein Kissen und einen langen japanischen Morgenrock mit wunderlichen Sträußen und dem süßen Geruch der Vergangenheit.
    »Legen Sie sich hin«, sagte sie.
    Er legte sich gehorsam, sie warf ihm den Morgenrock über und darüber eine Decke, stellte sich dann vor das schmale Sofa und betrachtete sein Gesicht.
    Er sagte:
    »Sie … Sie sind eine wundervolle Frau.« Dann, nach einer Weile: »Ich bleibe ein Weilchen liegen, bis die Kräfte wiederkehren, dann stehe ich auf und gehe nach Hause. Ertragen Sie diese Belästigung noch ein wenig.«
    Sein Herz füllte sich mit Angst und Verzweiflung: Was ist mit Jelena? O Gott, o Gott … Und Nikolka. Weshalb ist Nikolka umgekommen? Bestimmt ist er umgekommen …
    Sie wies schweigend auf das niedrige Fensterchen, das eine Gardine mit Quasten verhängte. Da hörte er entfernt, aber deutlich Schüsse.
    »Man würde Sie sofort erschießen, ohne Zweifel«, sagte sie.
    »Dann … ich habe Angst, Ihnen Unannehmlichkeiten zu bereiten. Wenn sie plötzlich kommen … der Revolver … das Blut … dort im Mantel«, er beleckte die trockenen Lippen. Vom Blutverlust und vom Kognak war ihm ein bißchen schwindelig. Das Gesicht der Frau sah erschrocken aus. Sie überlegte.
    »Nein«, sagte sie entschlossen, »nein, wenn sie etwas gefunden hätten, wären sie schon hier. Das hier ist ein Labyrinth, in dem niemand Spuren finden kann. Wir sind durch drei Gärten gelaufen. Aber aufräumen muß ich gleich.«
    Er hörte Wasser plätschern, Stoff rascheln, es klapperte in den Schränken.
    Sie kehrte zurück, den Browning mit zwei Fingern am Griff haltend, als ob er heiß wäre, und fragte:
    »Ist er geladen?«
    Er streckte den gesunden Arm unter der Decke hervor, befühlte die Sicherung und sagte:
    »Tragen Sie ihn unbesorgt, aber nur am Griff.«
    Sie kehrte noch einmal zurück und sagte verlegen:
    »Für den Fall, daß sie doch noch kommen, müssen Sie auch die Hose ausziehen. Sie bleiben liegen, ich

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