Die weiße Garde
auch wie ein Toter«, warf Karausche ein.
»Was redest du, Fedja? Wer hat das letzte Mal am Ofen verspielt? Du warst ja selber in die Renonce gegangen. Weshalb lästerst du?«
»Die blauen Petljuraschen Tüpfel auf den Karten …«
»Nur hinter den cremefarbenen Stores kann man leben. Alle lachen die Dichter aus.«
»Gottbewahre! Warum legen Sie meine Frage so negativ aus? Ich habe nichts gegen Dichter. Zwar lese ich keine Gedichte …«
»Und auch sonst keine Bücher, außer den Vorschriften für die Artillerie und den ersten fünfzehn Seiten des römischen Rechts. Auf der sechzehnten Seite begann der Krieg, und da hörte er auf.«
»Er lügt, hören Sie nicht auf ihn. Wie heißen Sie – Illarion Iwanowitsch?«
Lariossik erklärte, daß er Illarion Larionowitsch heiße, aber die ganze Gesellschaft, eigentlich keine Gesellschaft, sondern eine einmütige Familie, sei ihm so sympathisch, daß er es sehr gerne hätte, wenn man ihn einfach Illarion, ohne Vatersnamen, nenne. Natürlich wenn niemand etwas dagegen habe.
»Scheint ein sympathischer Bursche zu sein«, flüsterte der zurückhaltende Karausche Scherwinski zu.
»Na, wir können uns näherkommen. Warum nicht? Er lügt aber, wenn Sie’s wissen wollen, ich habe ›Krieg und Frieden‹ gelesen. Das ist wirklich ein gutes Buch. Ich habe es ganz gelesen und mit Vergnügen. Und warum? Weil dieses Buch nicht irgendein Tölpel, sondern ein Offizier der Artillerie geschrieben hat. Haben Sie zehn? Sie spielen mit mir. Karausche mit Scherwinski. Nikolka, spiel aus.«
»Aber schimpfen Sie, um Gottes willen, nicht mit mir«, bat Lariossik nervös.
»Was denken Sie eigentlich von uns? Sind wir etwa Papuas? Bei Ihnen in Shitomir scheinen die Steuerinspektoren furchterregend zu sein, daß Sie solche Angst haben. Bei uns herrscht ein ernster Ton.«
»Sie können ganz beruhigt sein, ich bitte Sie«, sagte Scherwinski und setzte sich.
»Zwei Pik. Tja … Das war ein Schriftsteller, Graf Leo Nikolajewitsch Tolstoi, der Artillerieleutnant. Schade, daß er den Dienst quittiert hat … ich passe … , er hätte es bis zum General gebracht. Andererseits, er besaß ja ein Gut. Aus Langeweile kann man auch einen Roman schreiben. Im Winter hat man nichts zu tun. Auf so einem Gut ist das einfach. Ohne Trumpf.«
»Drei Karo«, sagte Lariossik schüchtern.
»Ich passe«, sagte Karausche.
»Was haben Sie denn? Sie spielen doch gut. Man muß Sie loben und nicht beschimpfen. Also drei Karo – sagen wir, vier Pik. Ich würde jetzt selbst gern auf ein Gut fahren.«
»Vier Karo«, sagte Nikolka Lariossik vor und sah ihm in die Karten.
»Vier? Ich passe.«
»Ich auch.«
Im flatternden Kerzenlicht, im Tabakrauch kaufte der aufgeregte Lariossik zu. Myschlajewski warf jedem eine Karte hin, so wie ein Gewehr Patronenhülsen auswirft.
»Spiel Pik klein aus!« kommandierte er und ermunterte Lariossik mit einem »brav so«.
Die Karten entflogen Myschlajewskis Händen lautlos wie Ahornblätter. Scherwinski warf sorgfältig; Karausche, der kein Glück hatte, schleuderte die Karten von sich. Lariossik legte sie seufzend, vorsichtig hin wie einen Ausweis.
»Papa-Mama, das kennen wir«, sagte Karausche.
Plötzlich lief Myschlajewski rot an, warf die Karten auf den Tisch, glotzte Lariossik an wie ein wildes Tier und brüllte:
»Warum, zum Teufel, schlägst du meine Dame, Illarion?«
»Gut gemacht! Hahaha!« Karausche freute sich diebisch. »Ohne eins!«
Am grünen Tisch entstand Krawall, die Kerzenflammen flatterten. Nikolka fuchtelte beschwichtigend mit den Armen und lief die Tür zumachen und die Portiere zuziehen.
»Ich dachte, Fjodor Nikolajewitsch hat einen König«, sagte Lariossik erschrocken.
»Wie kannst du so was denken!« Myschlajewski bemühte sich, nicht zu schreien, deshalb kam aus seiner Kehle nur ein Zischen, das ihn noch schrecklicher machte. »Wo du ihn mit eigenen Händen gekauft und mir zugeschoben hast? He? Das ist doch, weiß der Teufel!« Myschlajewski wandte sich an alle. »Das ist … Ruhe sucht er. Ha? Und ohne eins zu sitzen – ist das Ruhe? Beim Spiel muß man rechnen, ein bißchen überlegen, das sind schließlich keine Gedichte!«
»Warte mal. Vielleicht kann Karausche …«
»Was heißt ›vielleicht‹? Außer Unsinn kann gar nichts werden. Entschuldigen Sie, mein Lieber, vielleicht spielt man in Shitomir so, aber das ist doch … Seien Sie nicht böse, aber Puschkin oder Lomonossow, obwohl sie Gedichte geschrieben haben, die hätten so was nie
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