Die weiße Hexe
wenn, dann gegen einen völlig überhöhten Preis. Überall tauchten Probleme auf, mit denen ich nie gerechnet hätte.
Moses' Gartenbaufirma residierte im besseren Teil von Lagos, in Ikeja. Dort erwartete eine Helferin den angeschlagenen Boß - und ein völlig demolierter zweiter Pick-up. Totalschaden. Ein Angestellter hatte sich mit dem Wagen auf den löchrigen Straßen überschlagen.
Die Firma hatte vier Großkunden. Mit einem Taxi klapperten wir sie der Reihe nach ab, um wenigstens die ausstehenden Rechnungen einzufordern. Dabei kam es zu meiner ersten Begegnung mit der GRA, der Government ResidentialArea, jenem Viertel, in dem vor allem Weiße lebten. Ich hätte mir in diesem Augenblick nicht vorstellen können, daß ich bereits wenige Monate später hier selbst eine Villa haben und das Innenleben dieses weißen Ghettos kennenlernen würde.
Als weiße Frau mit zwei schwarzen Männern räumte man uns nicht mal so viel Vertrauen ein, daß eine Haustür richtig geöffnet wurde.
Wir standen viermal im Garten, inmitten der von Moses und seinen Leuten prächtig angelegten, bunten Oasen mit Orchideenhainen.
Das Ergebnis unserer Tour war niederschmetternd: Master Nummer eins - Firma pleite, Master unauffindbar. Nummer zwei - der Chef war noch einige Wochen lang auf Urlaub in Deutschland. Nummer drei - der Fertigrasen aus England fehlte noch, also kein Geld.
Nummer vier - die Angestellten hatten bereits kassiert. Wegen der Ziegen ...
An diesem Tag wurde immer deutlicher, daß es mit Moses bergab ging. Er konnte sich keine fünf Minuten aufrecht halten, immer wieder zwangen ihn Darmkrämpfe in die Knie. Mit diesem kranken Gefährten würde ich mein Ziel nie erreichen, und das sagte ich John.
Doch John interessierte sich nicht mehr für rostige Autos, sondern nur noch für seinen todkranken Bruder. Würde Moses sterben, müßte John in dessen Fußstapfen treten. Zur Erinnerung: Moses hatte damals fünf Kinder, und zwei waren unterwegs.
John wollte einen anderen Heiler um Hilfe bitten, einen richtigen Buschdoktor nahe dem 150 Kilometer entfernten Ibadan.
Andeutungsweise hatte ich von den übernatürlichen Kräften der Buschdoktoren vom dort ansässigen Stamm der Yoruba schon gehört. Als unwissende bylbö hätte ich Moses ins Krankenhaus gebracht. Doch das wäre noch teurer gewesen, erklärte John. Und:
„Ich glaube auch nicht, daß Moses den Ärzten dort vertrauen kann.“
John blickte mich hilfesuchend an: „Die Fahrt nach Ibadan ist teuer.“ 200 Mark. Und noch mal 1 000 Mark für den babalawo.
„Moses ist doch mein ältester Bruder. Es geht um sein Leben. Er würde das auch für mich tun!“ Bevor sie verschwanden, baten sie die hochschwangere schöne Rhoda, sich um mich zu kümmern.
Ich mußte zum Zoll. Mit öffentlichen Bussen, vollgestopft mit Menschen, die während der Fahrt in dichten Trauben sogar an den Bustüren hingen. Sightseeing der besonderen Art. Draußen erschienen links und rechts der Schnellstraßen flache, wellblechgedeckte Hütten in einem perspektivlos erscheinenden, rostigen Elend. Überall standen alte, kaputte Autos herum. Die Straßen waren übersät mit Schlaglöchern. Hin und wieder lagen verwesende Hunde und sogar manchmal tote Menschen an den staubigen Straßenrändern.
Es ist nicht richtig, an afrikanische Lebensformen den Standard der Industrienationen anzulegen. Man tut es trotzdem. Elend bleibt Elend, relativiere es, soviel du magst. In den Dörfern in der wundervollen, weiten Landschaft, die ich bald kennenlernen sollte, fehlten die Menschen. Hier hungerten sie einem besseren Morgen entgegen. Und hier wollte ich gammelige europäische Autos verkaufen! Vielleicht hätte ich mir in diesem zugigen, klapprigen, stinkenden Bus zum Zoll die Vergeblichkeit meines Vorhabens eingestehen sollen. Einfach sagen, okay, Ilona, hast dich übernommen, das ist eine Nummer zu groß für dich. Aber ich wollte nicht kapitulieren. Sturheit? Weiße Arroganz, die sich anmaßt, mit einer fremden Kultur nach Gutdünken umspringen zu können? Ich bin bestimmt nicht die einzige, die diesen Fehler gemacht und dafür bezahlt hat.
Letzten Endes ging es noch um sieben Autos, die im Hafen standen. Stolz legte ich dem Zollbeamten die Einfuhrlizenzen für
„unsere“ sieben Autos vor. Sie trugen als Käufer die Namen von Johns und Moses' vielen, vielen Vettern.
„Sehr gut, dann können Sie die Autos abholen“, sagte der Zollbeamte, nachdem er einen kurzen Blick auf die Papiere geworfen hatte.
Ich
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