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Die weiße Hexe

Titel: Die weiße Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Maria Hilliges
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lächelte freundlich. „Dann ist ja alles okay.“
    „Oh, sicher. Die Frachtpapiere haben Sie dabei, Frau Wowo?“
    „Natürlich.“ Klar, ich hatte alles dabei. Ich legte sie ihm vor die Nase.
    Es folgte ein langer Blick in die Papiere. Er blätterte alle durch. „Die Frachtpapiere sind auf John Wowo ausgestellt“, sagte er lakonisch.
    „O ja, natürlich, er ist ja auch mein Mann.“
    „Er ist draußen beim Auto? Könnten Sie ihn reinholen, bitte?“
    „Warum?“
    „Er ist der Importeur und damit der Eigentümer, Frau Wowo“, sagte der Zollmann ruhig.
    Das bedeutete, daß Rhoda und ich den ganzen Weg umsonst gemacht hatten. Ich mußte meinen Vater anrufen.
    Ein Strahlen ging über Rhodas Gesicht. „Das Telegrafenamt ist in Ikoyi auf Lagos Island. Dann können wir gleich zum Markt gehen“, sagte sie. Ich bewunderte ihren unverwüstlichen Optimismus. Ihr schien unsere Odyssee - eine mehrstündige Busfahrt quer durch diese Riesenstadt - nichts auszumachen. Im Gegenteil: Auf dem Markt im Zentrum von Lagos City kaufte sie auch noch üppig ein, bevor wir das Telefonamt erreichten. Geschickt balancierte sie ihre Einkäufe auf dem Kopf- Schwangerschaft hin, bevorstehende Niederkunft her.
    Ich zahlte die Gebühr für ein Gespräch nach Deutschland - und mußte warten. Zwei Stunden lang, bis das handvermittelte Gespräch stand. Endlich wurde ich in eine stickige Zelle gerufen.
    Erneutes Warten. Dann polterte mein Vater los. Berichtete, daß ich fristlos gefeuert worden sei und daß er ein sehr unangenehmes Gespräch mit meinem Boß gehabt habe: „Du hast keine Vorstellung, was hier los ist, Ilona! Ich war bei der Bank ... den Wechsel verlängern ... zwanzig Prozent Zinsen, Ilona! Zwaanzig!
    Plus 2 000 Mark Bearbeitungsgebühr ... Gangster, ich sag' es dir.
    Aber das ist nicht alles ... Ilona ... bist du noch dran ... ?“
    Ich hörte geduldig zu. Daß er eine Hypothek aufs Haus aufgenommen habe. Und bereits eine Lösung für unser Problem sehe: noch mehr Autos für Nigeria! Um die Schulden zu tilgen.
    Diesmal schrie ich ein entschiedenes Nein! in den Hörer und fragte nach den Kindern. Um zu erfahren, daß Janet vom Pferd gefallen war, sich aber nicht ernsthaft verletzt hatte. Und Bobby hatte eine Batterie verschluckt. Das letzte Wort, das ich verstand, bevor die Leitung zusammenbrach, war „Sauerkraut“.
    Ich habe mir, während ich - vergebens - auf eine neue Verbindung wartete, den Kopf zermartert, wo der Zusammenhang zwischen Bobby, Batterie und Sauerkraut liegen konnte. Ich habe es erst Wochen später erfahren: Meine Mutter, Krankenschwester aus Berufung, gab dem Jungen zwei Pfund Sauerkraut zu essen.
    Gottlob mochte er Sauerkraut. Dann setzte sie ihn aufs Töpfchen und wartete, bis es „pling“ machte und die Knopfzelle wieder draußen war.
    Jeder deutsche Supermarkt, der sich weitläufig geben will, offenbart heutzutage das kaviarartige Innenleben von Papayas, als wären es schwarze Perlen der Natur, sauber und steril auf Plastik gebettet. Welch ein Gegensatz dazu der laute Markt im Zentrum von Lagos! Ein Sinnenfest. Der größte Teil des Angebots ist auf schlichten Ständen unter Holz und Blech ausgebreitet: Die bei uns so kostbaren Papayas liegen in Bergen bereit, daneben Mangos, Bananen verschiedenster Art (die klitzekleinen sind die süßesten), Ananas, Zitronen, helle Maniokwurzeln, dunkle Yamswurzeln, dick wie Baumstämme, große Blechschüsseln voller schwarzer, gelber, roter Bohnen, Linsen oder Erbsen, Mais, Schüsseln voller gelblich braunem garri-Pulver (gewonnen aus den geriebenen Maniokwurzeln), Erdnüsse in unvorstellbaren Mengen, frisch, geröstet oder in Schüsseln als weiche Erdnußbutter.
    Dazwischen Stände, die Trocken- und Frischfisch anbieten oder Fleisch, das oft so frisch ist, daß das Blut in Schalen tropft, wo es gerinnt. Hühner werden in winzige Holzkäfige gesperrt feilgeboten, Ziegen und Hammel warten blökend angeleint auf Käufer. Oder das
    bushmeat, das Fleisch aus dem Urwald: zum Beispiel Hase, Erdferkel oder - Ratte.
    Eine bunte Vielfalt, die an einen Garten Eden erinnert, bevölkert mit schwatzenden und lachenden Menschen, die sich mit überschwenglicher Freundlichkeit in die Arme fallen. Unablässig werden Grüße ausgetauscht, und man sieht Frauen oder auch Männer, die ungeachtet des Wirbels ringsum auf die Knie fallen, um einer höhergestellten Person Respekt zu bezeugen. Neben der überbordenden Auswahl an Schätzen der Natur entdeckte ich mit großen Augen die

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