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Die weiße Hexe

Titel: Die weiße Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Maria Hilliges
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auch Wasser. Oh, wie sehnte ich mich nach einem Bad! Im Mutterfluß planschten vergnügt Kinder, Frauen wuschen Wäsche. Konnte ich hier in die Fluten tauchen? John fand die Idee nicht so gut. Waschweiber und Kinder störten ihn weniger.
    Aber die männlichen Dorfbewohner, die überall herumsaßen, Kolanüsse aßen oder auf ihrem Pakoholz kauten, um damit die kolagefärbten Zähne zu bearbeiten. John wollte ihnen wohl nicht das

    Gratisspektakel seiner badenden oyibö-Frau bieten. Lieber schleppte er eimerweise Wasser hinter einen Busch und übergoß mich mit dem Wasser aus einer kleinen Schüssel, die er immer wieder in den Eimer tauchte. Zuerst hatte er mich jedoch, unter meinem lauten Protest, mit einer schwarzen, schleimigen, aber den Juckreiz der Moskitobisse stillenden Seife eingerieben.
    Auf dem Rückweg hatten wir nicht nur die Ehe-Fische mitzuschleppen, sondern auch frischen Palmwein, Kolanüsse - und ein ausgeweidetes totes Tier mit grauem struppigem Fell. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob diese Delikatesse fürs Festessen nicht sogar eine Buschratte war. John sprach beschönigend von
    bushmeat. Nach dem langen Marsch durch die Hitze zurück zum Haus des babalawo schwammen die kostbaren schwarzen Fische allerdings nicht mehr so lebendig in den mit frischem Flußwasser gefüllten Schüsseln herum. Ob sie noch fit genug waren, ein passables Ehe-Orakel abzugeben?
    Das erste Paar Fische sollte sein Leben für Johns und meine Ehe opfern, die durch die afrikanische Nacht einen gewissen Auftrieb erhalten hatte. Der Medizinmann warf die beiden, bespuckt mit zwei Schluck Palmwein, schwungvoll auf eine dafür speziell hergerichtete Betonplatte im Hof des Anwesens. Sie wanden sich minutenlang im Todeskampf. Der babalawo betrachtete die Bescherung. Die Fische lagen nebeneinander, leicht versetzt, der eine den Kopf zum anderen gebogen, der zweite blickte toten Auges ganz woandershin. Auweh! Das war gewiß nicht gut.
    „Die Götter verzeihen dir, die Ahnen nicht“, übersetzte John die mir unverständlichen Yoruba-Worte.
    Das nächste Paar Fische mußte in den Staub, diesmal für die rostenden Autos im Hafen. Am Ende lag es leicht gekrümmt da, im Tode einander keines Blickes würdigend. Der babalawo schien auch recht unzufrieden über den Ausgang, jedenfalls nach Johns Worten zu urteilen: „Wir müssen die Ahnen um Beistand bitten.“
    Die waren über mein Versagen als Ehefrau offensichtlich so erzürnt, daß sie mir nicht beim Autohandel beistehen wollten. Eine afrikanische Nacht mit Ehesex auf quietschendem Bett zu Froschgequake und
    Grillengezirpe half da wohl nicht mehr. Hier mußten stärkere Mittel ran: ein Opferfest. Die Opferfische wurden von den Frauen geschuppt und zu Essen verarbeitet.
    In dieser Nacht wurde gefeiert. Übrigens ohne Moses, den ich erst tags darauf wiedersehen sollte. Der babalawo schien zu der Einsicht gelangt zu sein, daß Moses seine Frau - die Hexe Efe - zu wenig bestraft hatte, um weiterleben zu können. Kein Medizinmann dürfe im Namen der Götter und Ahnen weitere Heilungsversuche unternehmen, ohne daß Efe für ihre Hexentaten genügend gebüßt habe.
    Zu Beginn des Opferfestes bekam John vom babalawo ein schwarzes, handgenähtes, mit Medizin gefülltes Amulett an einem Lederband um den Hals gehängt. Zusätzlich überreichte er ihm eine Metalldose mit schwarzer Creme. Für die Autos? Für die Ehe? John knöpfte sein Hemd über dem Amulett zu und schwieg, als ich ihn danach fragte. Das ganze Dorf war jetzt anwesend, die Frauen stimmten einen monotonen Singsang an, der Trommler tat mit ein paar Kollegen sein Bestes.
    Der Priester gab mir eine bittere Flüssigkeit zu trinken, Frauen begannen langsam im Schein des Feuers zu tanzen, der Rhythmus der Trommeln wurde unmerklich schneller, sie zogen mich in den Kreis der Tanzenden. Mir wurde schwindlig, ich mußte mich setzen.
    Der Medizinmann verspritzte das Blut eines Huhns über einem Tongefäß und auf den Boden.
    Nein, Ilona, hier wird nicht schlappgemacht! Tanze! Man schreit mich an, unverständliche Worte. Tanze! Ich werde auf die Beine gestellt, man zerrt an mir. Ich tanze. Die Trommelwirbel rasen in meinem Kopf. Das ganze Dorf dreht sich um mich. Ich sehe nur noch das Weiße im Auge des babalawo. Ein Strahl Flüssigkeit trifft mich im Gesicht. Ich wische ihn nicht mal ab. Bereue, Ilona, schreit John auf deutsch. Meine Bluse ist rot gefleckt, meine nackten Füße stampfen mehr, als daß sie tanzen, über den Boden.
    Bereue,

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