Die weiße Hexe
„galt“ der Wurf. Paradoxerweise wurden für eine Nuß zwei Striche, für zwei aber nur ein Strich gemacht. Irgendwie kam der kluge Mann dabei zu einem Ergebnis, das er John auf yoruba mitteilte, während er immer wieder auf mich blickte. Mir schwante nichts Gutes, als John nach einem längeren babalawo-Wortschwall endlich auf englisch zu übersetzen begann:
„Er sagt, daß uns unser Weg ins Verderben führt. Wir hatten ein gemeinsames Ziel, es aber aus den Augen verloren. Wir sollen unseren Weg korrigieren, damit wir das Glück wiederfinden. Wir sind Mann und Frau, doch wir stehen uns wie Gegner gegenüber.
Ändern wir nicht unser Verhalten, kann unser gemeinsames Vorhaben keinen Erfolg bringen.“
Ich muß gestehen, ich war im ersten Augenblick ziemlich sauer. Der
babalawo sprach mit der Übersetzerstimme Johns. Von dem ich geschieden werden wollte! Was hieß hier gemeinsames Ziel? Die Autos waren das Ziel von John und meinem Vater. Doch meine Verstimmung legte sich. Ich kam ins Grübeln. Vielleicht lag der Priester nicht mal daneben - ich hatte begonnen, mich mit dem Autoverkauf zu identifizieren, meinen Vater heimgeschickt und versucht, die Sache selbst in den Griff zu bekommen. Und sie somit zu meiner eigenen gemacht.
Unsere Geschäfte würden nur laufen, fuhr der Medizinmann fort, wenn die Götter und Ahnen zuvor durch eine Versöhnungsfeier von John und mir milde gestimmt würden. Wir müßten ein Opferfest vorbereiten. Ich hatte mein Fehlverhalten in großer Runde zu bereuen. Fehlverhalten? Ich war John nicht untreu geworden, er dagegen hatte mich x-mal betrogen. Aber was zählen schon solche Kleinigkeiten bei einem afrikanischen Mann, der in Polygamie leben durfte? Mein Fehler war allenfalls, daß ich mich eingemischt hatte.
Die Ursache unseres Geschäftsunfalls war also entdeckt. Die Reparatur des Schadens würde teuer werden, tat der babalawo via John kund. Wir müßten ein Opfer bringen, um die orishas zu bitten, unsere Geschicke günstig zu beeinflussen. Fürs Opferfest würden entsprechende Gaben gebraucht. Und zwar keine von Mr. Gordon, Mr. Jim Beam oder Mr. Coca-Cola. Nein, Fisch, frischer Fisch löse unsere Eheprobleme. Damit wären wir dann auch unsere Geschäftssorgen los.
„Frischer Fisch, John? Hier im Busch?“
„In der Nähe fließt Ogun - der heilige Fluß. Die Yoruba nennen ihn Mutterfluß. Wir müssen zu einem Fischerdorf gehen und dort die heiligen Fische holen. Wir müssen sofort los, es wird bald dunkel.“
Er kannte in einem nahe gelegenen Fischerdorf einen Trommler.
Moses, der zu geschwächt war für weitere Strapazen, blieb im Dorf des Medizinmannes.
Zwei Männer des Dorfes und einige Kinder liefen voraus. Sie bahnten mit langen Messern, cutlass, den Weg durch den Regenwald zu einem wirklich malerisch gelegenen, winzigen Dorf aus runden Lehmhütten. Es war schon Nacht, als wir eine Mahlzeit aus gestampften Yamswurzeln, Trockenfisch und sämig-schleimiger Okra-sauce bekamen.
Der freundliche Trommler stellte uns eine seiner insgesamt drei Hütten zur Verfügung. Auf dem breiten, quietschenden Metallbett rollten John und ich automatisch zueinander. Es quakten Frösche und zirpten Grillen. Meine Scheidung war weit weg. Sehr weit. Ich war mir plötzlich ganz sicher, daß ich alles tun wollte, um meine Ehe zu retten. Die blöden Autos würden verkauft werden, Papa wäre seine Schulden los, John glücklich, die Kinder bekämen vielleicht ihren Vater zurück, ich müßte mich nicht mehr allein mit ihnen durchs Leben schlagen ...
Wir lagen irgendwo in der afrikanischen Nacht in einer Hütte aus Lehm, und Johns Stimme erzählte von seinen Träumen - dem schwungvollen Handel zwischen Afrika und Europa. Er war wieder der mächtige Sohn eines friedlichen Stammes in einer mir unbekannten Welt voller Geheimnisse, die es noch für mich zu erforschen galt. Er konnte so schön erzählen.
Der Morgen begann mit lautem Hähnekrähen. Die Träume der Nacht waren unzähligen Moskitostichen gewichen. Der Trommler führte uns stolz zu zwei wassergefüllten Metallschüsseln. Vier dreißig bis achtzig Zentimeter lange, fast schwarze Fische mit langen Barthaaren blickten mich hilfesuchend und zuckend an. Wir mußten ein Vermögen dafür zahlen. Aber man kann eben nicht alles nach dem Geldwert messen! Diese schwarzen Fische ließen sich, so der Trommler, nur mit sehr viel Glück fangen. Die armen Dinger sollten also meine Ehe kitten - unter Einsatz ihres Lebens.
Wo lebender Fisch ist, ist
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